faustisch

Das Unternehmen, ab dem Wintersemester 2009/10 ein 3-jähriges PhD-Studium einzurichten, ist Ende des vergangenen Jahres auf ein unerwartetes Hindernis gestoßen. Eine (im Entwicklungsplan der Universität Wien festgeschriebene) Neuerung hat den Unwillen der Fakultäten für Chemie und Physik erregt. Dissertationsprojekte sollen in Zukunft einer Fakultätsöffentlichkeit vorgestellt werden, bevor die Studierenden eine Betreuung zugewiesen bekommen. Dagegen wurden patentrechtliche Bedenken vorgebracht.

Im Bereich der Physik und Chemie sind Doktorarbeiten, welche sich auf Projekte stützen, bzw. durch diese finanziert werden, der Normalfall. Weiters werden diese Projekte bereits im Vorfeld von internationalen Fachgutachtern begutachtet und bewertet. … Weder ein DPSL (sic!) noch ein noch so klug zusammengesetzter Doktoratsbeirat können daher eine projektgestützte bzw. projektfinanzierte Doktorarbeit kompetenter beurteilen als internationale Fachgutachter. … Auf diese Weise würden sich auch mögliche patentrechtliche Probleme … vermeiden lassen.

Das ist eine bemerkenswerte Passage. Sie schlägt einen Bogen von Projekten, wie sie in den Naturwissenschaften üblich sind, zu deren internationaler Begutachtung und der damit mitgelieferten Qualität, die an der Universität Wien gar nicht mehr zum Thema werden sollte. Es wird so getan, als ob es nur Vorschläge gäbe, die innerhalb der “scientific community” nach allgemeinen Standards geprüft und finanziert würden. Verschwiegen wird dabei, dass es auch Dissertationsvorhaben gibt, die pragmatischer angelegt sind und gemischt akademisch-kommerziellen Interessen dienen.

Wissenschaftler der genannten Fakultäten haben Beziehungen zu Firmen, die Forschungsergebnisse zu Patenten machen (und damit der populären Aufforderung nachkommen, Forschung und Wirtschaft zu verbinden). Paul A. David hat dazu in zwei Beiträgen Can ‘Open Science’ be Protected from the Evolving Regime of IPR Protections? und Innovation and Universities’ Role in Commercializing Research Results wichtige Überlegungen vorgelegt. Die Funktion der Öffentlichkeit, von der Andreas Kirchner im vorigen Beitrag schreibt, und das Interesse der Geheimhaltung sind nicht leicht vereinbar.

Etwas mehr dazu in meiner Vorlesung. Inklusive eine Recherche, die eine schöne Pointe hervorhebt: Auch im kommerziellen Umfeld, wird eine literarische Einbettung nicht verschmäht.

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Vortrag: Wie man wissenschaftliche Qualität beurteilen kann

Heute, 07. Jänner 2009, 19:00 Uhr, HS 3D im NIG findet ein Vortrag von Falk Reckling, dem Leiter der Sozial-&Geisteswissenschaftlichen Abteilung des FWF (Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung) statt, in der er – so kündigt der Titel des Vortrags zumindest an – über Qualitätsmaßstäbe für wissenschaftliche Arbeiten spricht.

Google sagt mir, dass Dr. Reckling etwas für die Open Access-Initiative übrig hat (ORF-Beitrag), in einfachen Worten: Forschung, die von öffentlicher Hand bezahlt wird, soll auch der Öffentlichkeit zugänglich sein.

  • Liste von Open Access Zeitschriften (geordnet nach Fachbereichen)
  • OAI-Suchmaschine (OAI: Open Archive Initiative) OAIster (Diese Art von Suchmaschinen vernetzen die verschiedenen OAI-Repositories basierend auf dem OAI-PMH-Standard, der dafür sorgt, dass die Metadaten der einzelnen Artikel bei allen OAI-Repositories maschinenverarbeitbar sind)
  • SCIRUS (sucht auf “480 million science-specific Web pages”, also nicht nur auf OpenArchive-Repositories)
  • Open Access-Informationsplattform (viele Links, gute Erklärungen)

Mal sehen, vielleicht initiiere ich einen Live-Blog oder berichte nachher über interessante Punkte – sofern erkennbar.

UPDATE:

Das Publikum war relativ schmal, wahrscheinlich wegen dem neuen Jahr ( ca. 20 Leute inklusive Vortragender,UniversitätsmitarbeiterInnen und OrganisateurInnen); ich habe ca. 5 studierende erkennen können.

Der wichtigste Satz kam eigentlich schon am Anfang: Die Qualität der Wissenschaftlichen Arbeit muss nach Verfahren erfolgen, die nachvollziehbar, transparent und schwer manipulierbar sind. (Ich vermute, dass die Nachvollziehbarkeit & Transparenz mit Manipulierbarkeit kontrahiert -> hohe Transparenz über das Auswahlverfahren -> steigende Möglichkeit, das Verfahren zu manipulieren).

Warum man überhaupt Leistung in der Forschung messen will, wurde folgendermaßen begründet:

  • Man kann etwas zur Rechtfertigung angeben, wie man öffentliche Mittel verwendet (Ich denke, wenn die Publikationsstrukturen einfacher wären, könnten sich Geldgeber als auch Steuerzahler als auch die Forschercommunity selbst ein Bild von den Publikationen machen; viele Augen sehen manchmal besser als eine Zahl)
  • Selektion, um Lobbyismus und nicht-wissenschaftliche Kriterien auszuschließen
  • Orientierungsmöglichkeit für Studenten, Forscherinnen und Geldgeber (man kann nicht alle Publikationen lesen)
  • Wettbewerb (Leistungsmotivierendes Umfeld)
  • Reputation und Mittelvergabe für kompetente Forscher

Danach kam eine Vorstellung der üblichen Verfahren, die man im Wissenschaftsbetrieb zur Beurteilung der Qualität von Publikationen normalerweise anwendet:

  • Peer Review
  • Metriken, speziell Bibliometrie (citation index)
  • informed Peer Review (Die quantiativen Merkmale werden von Experten gewichtet)

Der Vortragende stellt fest (und folgt damit der Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrates 2007), dass so etwas wie der citation index zur Zeit in den Sozial-&Geisteswissenschaften nicht machbar ist, dass er aber den Angehörigen dieser Diziplin empfehlen würde, über eine Adaptierung selbständig nachzudenken. “Wenn die Geisteswissenschaftten das nicht selbst tun, dann wird es für sie gemacht” – und das könne negativ für alle Beteiligten sein.

Auch die Gefahren von Leistungsfeststellungen wurden erwähnt:

  • zu viele Evaluationen -> zu hoher Aufwand in Relation zum Nutzen
  • Verabsolutierung von quantitativen Faktoren (manche medizinische Zeitschriften geben den impact factors bis auf die vierte Kommastelle genau an)
  • “dirigistische Eingriffe in den Forschungsalltag”, was die Forschungsfreiräume einengt
  • Strategiefallen: extensive Ausrichtung der Wissenschaftlerinnen an den Evaluationskriterien

In der Diskussion wurde das Argument vorgebraccht, dass die quantitativen Maßstäbe nur für den Mittelmaß gelten würden. Für Genies und die, die ganz unten sind, würden sie keinen Nutzen haben, was der Vortragende auch bestätigte.

Also an sich ein solider Vortrag – nur leider ohne neuer Vorschlage und mit – sogar für mich – altbekannten Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von citation Index und impact factors in den Sozial- und Geisteswissenschaften oder in den Wissenschaften generell. Wie in sehr vielen Bereichen wächst die Komplexität der Probleme, die wir zu bewältigen haben; man sucht Kriterien, und manchmal Algorithmen, mit denen man einerseits alle wichtigen Faktoren berücksichtigen kann und andererseits für die Überprüfung nicht das ganze Leben lang braucht. Das ist verständlich. Die Frage ist, wenn die Algorithmen zu exakt definiert sind, werden viele Forscher nicht zögern, ihre Publikationen auf diese Kritierien auszurichten und dann kommt es wohl sehr schnell zu der Situation, in der zwar die Kriterien eine gute Leistung indizieren würden, man beim Lesen aber einen anderen Eindruck bekommt – wenn man nicht bereits von den Kennzahlen hypnotisiert ist. Die Frage ist, ob es bei dieser Masse an Publikationen ohne Kennzahlen geht und wenn ja, wie sieht die Alternative aus? “Back to the roots” – das wird ohne Zusatzüberlegungen nicht gehen.

Was mir gefehlt hat war die Frage, wie sich die Bewertungsmodelle und auch die Publikationssituation als Ganzes verändern kann und wird angesichts des Open-Access-Ansatzes und der elektronischen Erschließung der Inhalte (Metadaten, Tags, …).

Für mich zeigt die Sokal-Affäre einerseits, und der Vorfall bei der CSSE08 andererseits (es gibt ja noch mehrere ähnliche Beispiele), dass nicht allein die Geisteswissenschaften über ihre Qualitätsmaßstäbe nachdenken müssen. Mein Plädoyier für einen einfacheren Zugang zu den Publikationen (durch Internettechnologien) ist auch keine Garantie für höhere Qualität, jedoch kann ich mir schon vorstellen, dass der länderübergreifende Community-Effekt positive Auswirkungen hat. Er könnte zumindest dazu führen, dass die Arbeiten so geschrieben werden, dass sie nicht nur Expertinnen verstehen (manchmal lässt sich das nicht vermeiden, aber tendenziell könnten übermäßige Spezialisierungen – wo man gar nicht mehr weiß, wie man das verstehen soll – vermieden werden). Die themenbezogene Gesprächskultur in den Wissenschaften (und der Dialog mit der Öffentlichkeit) könnte zunehmen und die Bemühungen um die kleinste publizierbare Einheit unwichtiger werden lassen. Soweit zur Vision.

Eine Sokal-Affäre der Informatik

Gerade bei Heise gelesen: Mit dem Pseudonym Herbert Schlangemann wurde ein mit dem Tool SciGen generiertes, sinnloses Paper mit dem Titel “Towards the Simulation of E-Commerce” an die Reviewer des CSSE 2008 (International Conference on Computer Science and Software Engineering) geschickt. Diese fanden es so toll, dass sie auch ein CV von dem Pseudo-Herren anforderten und ihn sogar zum Leiter des Themenkreises “Distributed and Parallel Computing & Embedded Programming” für die Konferenz machten.

Erinnert mich ein bisschen an Alan Sokal und sein Paper Transgressing the Boundaries: Toward a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity”(Deutsche Übersetzung findet sich hier), das 1996 in der Zeitschrift “Social Text” veröffentlicht wurde.

Naja, seit ein paar Jahren gibt es ja auch Programme, die automatisch generierte Pseudo-Papers identifizieren sollen. Der Krieg kann also beginnen…

Das Problem dürfte jedenfalls nicht nur eines der Poststrukturalisten sein.

Kapstadt Open Education Declaration

Möchte auf etwas Hinweisen: Bin heute auf eine Declaration gestoßen, die sich zum Ziel gesetzt hat, dass Lehr-&Lerninhalte frei und über Ländergrenzen hinweig für alle (z.B. unter einer Creative Commons Lizenz) im Netz zur Verfügung gestellt werden.

Unter related initiatives finden sich eine Reihe von interessanten Anschlussprojekten. Eines davon kommt vom MIT und nennt sich MITOpenCourseware, in der Lehrveranstaltungsinhalte in Form von Videos, Audios oder textuell zur Verfügung gestellt werden. Vor allem die große Anzahl an Lehrveranstaltungen zu den verschiedensten Bereichen hat mich beeindruckt.

Through MIT OpenCourseWare, MIT grants the right to anyone to use the materials, either “as is,” or in a modified form. There is no restriction on how a user can modify the materials for the user’s purpose. Materials may be edited, translated, combined with someone else’s materials, reformatted, or changed in any other way.

Soweit ich gesehen habe, werden aber veränderte Inhalte nicht wieder in die Plattform integriert; trotzdem eine sehr nützliche Dienstleistung.

Wenn man sich die Unterzeichner der oben genannten Deklaration ansieht, findet man leider nur sehr wenig Österreicher und soweit ich sehe niemanden aus den drei großen Universitäten (TU,MUW, Hauptuni) in Wien.

Der Hinweis vom MIT würde für mich aus Studentensicht ganz gut klingen:

[W]e encourage other universities to create their own “opencourseware” in which materials from their courses would be posted online and openly shared with the world. MIT OpenCourseWare is eager to link to other universities or institutions that have similar goals. For more information about how your institution can openly publish its course materials in an OpenCourseWare environment, please visit the OpenCourseWare Consortium site.

Als Mitglieder dieses Open CourseWare Consortium finden sich übrigens die Universität Klagenfurt, Universitäten von Iran, Japan, Korea, Russland, Afghanistan,… Ich weiß ja nicht, in welchem Ausmaß eine solche Mitgliedschaft  einen finanziellen Aufwand erfordert (das MITOCW gibt an, dass sie pro Kurs-Aufbereitung 10.000 – 12.000$ aufwenden müssen – das scheint mir schon etwas hoch gegriffen), aber von der Idee her ist die Initiative eine nähere Betrachtung wert.

Gespräche in Tehran

Was für eine Heuchelei! Die Universität Wien pflegt internationale Kontakte und läßt sich von Iranischen Regierungsstellen den Aufenthalt einer Kontaktgruppe bezahlen. Wir reisen vier Tage durch das Land, treffen uns mit zahlreichen Kollegen und Universitätsfunktionären und finden eine Menge Interesse und Anknüpfungspunkte.

Nur um dann von unserer Universitätsleitung zu hören, dass ein Kooperationsvertrag natürlich nicht in Frage kommt, weil das auf den Widerstand der Kultusgemeinde stoßen würde. Wie der iranische Geschäftsträger uns vorgewarnt hatte: Die einschlägigen Telefonate lassen nicht auf sich warten.

Hier, als kleine Geste in die andere Richtung, Bridge to Iran: Conversations in Tehran.

Jurisprudence, Law, Managment

My Iranian Junk. or how I came to Iran on 27th...
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Ein eigenartiger Faden zieht sich durch meine letzten Beiträge. Vergangene Woche besuchte ich auf einer Erkundungstour den Iran. Wir hatten Gespräche mit mehreren Fakultäten. Das Setting war überall ähnlich: 8-12 Wissenschaftler, kaum eine Frau, begrüßen uns höflich. Wir tauschen Oberflächlichkeiten aus und ansatzweise versuche ich, umstrittene Themen zu berühren. “Sie unterrichten Burschen und Mädchen getrennt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? An der Universität Tehran gibt es diese Einschränkung nicht.”

Der rote Faden ist die Rolle der Religion in der Welt der Wissenschaft. Die Organisation des University College Qom ist typisch. Es gibt drei Fakultäten:

  • Theologie und arabische Sprache (die gehört wegen des Korans zur Theologie)
  • Rechtswissenschaft
  • Management

Was auf der Website “Theology” heißt, wird in einem Organigramm als “Jurisprudence” bezeichnet. Es ist die Grundlegung des richtigen Lebens, Scharia im neutralen Sinn. Darauf baut die Rechtslehre auf, die sich mit den faktischen juridischen Regelungen beschäftigt. Und zuletzt die Nutzanwendung: das moralisch unterlegte Management.

Wie wirkt sich die islamische Grundüberzeugung auf die Führung eines großen Ölkonzerns aus? Darauf wurde geantwortet: Jeder Mensch folgt ethischen Prinzipien, auch in alltäglichen Entscheidungssituationen. Die Problemstellung ist aus der christlichen Soziallehre bekannt. Es ist – für Philosophen – schwierig, nicht etwas Sympathie mit dieser Großraumperspektive zu empfinden. Also nickte ich höflich. Doch das befriedigte wieder andere iranische Teilnehmer nicht. Sie fragten nach, ob ich mit dieser Reaktion zufrieden sei. Es ist nicht unschuldig, für eine hohe Durchlässigkeit zwischen Glaubens- und Geschäftssachen einzutreten.

Mission und Dialog in Europa, andersrum

Resurrection
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Alain Badiou ist im Moment einer der prominentesten französischen Philosophen. Eben erschienen ist sein Worfür steht der Name Sarkozy?. Wenn man sich ansieht, wie er gegen die Konventionen der Mainstream Demokratie argumentiert, findet man eine ausgesprochen erlösungstypische Rhetorik. Er ist missionarisch unterwegs.

“Die Illusionen ablegen” heißt kategorisch zu leugnen, daß die Wahl eine echte Entscheidung ist. Es heißt, sie als organisierte Desorientierung zu erkennen, die dem Perso­nal des Staats freie Hand gibt. Das ganze Problem ist dann, diese Illusion affirmativ zu verwerfen, das heißt: das Prin­zip einer Orientierung des Denkens und der Existenz woanders zu finden. Zu diesem Zweck, um die Illusion als Illusion zu erkennen und sie zu verwerfen.”

Es gibt eine in den Grundsätzen falsche Welt, der wir durch einen Erkenntnisschub entkommen können. Er führt zu einer qualitativen Umwertung, durch die die “Arbeiter ohne Papiere” – die Ausgestoßenen dieses “saeculums” – ins Zentrum geraten.

Die Orientierung. Sie erfolgt auf Distanz zum Staat, also insbesondere außerhalb der Wahl. Ihre Sache ist es, noch nicht da Gewesenes im Realen zu konstruieren. Sie besteht in der Inkorporation in einen Wahrheitsprozeß, besonders bei der direkten politischen Organisation de­rer, die hier aus der (falschen) einzigen Welt herausge­halten und in die »andere« Welt abgeschoben werden. Im Kern dieses aus der Welt exilierten Proletariats: die Arbei­ter ausländischer Herkunft. Und im Kern dieses Kerns: die Arbeiter ohne Papiere.

Der Effekt ist eine Extase, eine Überschreitung und eine neue Wahrheit:

Das Subjekt-Werden ist das Ergebnis der als Orien­tierung gedachten Inkorporation. Das menschliche Indi­viduum, das Lebewesen, das darauf abgerichtet ist, an­gesichts der Ware bloß seine unmittelbaren Interessen zu kennen, macht sich zu einer Komponente des Wahrheits­körpers neben anderen, und damit überschreitet es sich als Subjekt.

Woran erkennt man denjenigen, der seine angebliche .,freie Individualität«, will sagen das Stereotyp, in dem er aufgelöst ist (denn was ist monotoner, was einförmiger als die »freien« Individuen der Marktgesellschaft, die zi­vilisierten Kleinbürger, die wie die Papageien ihre lächer­lichen Ängste wiederholen?), in der lokalen Festigkeit einer transindividuellen Wahrheit überwindet?

Das in Aussicht genommene Ergebnis ist sicher attraktiv. Eine

… Überzeugung, daß es unendlich wichtiger ist, zusammen mit vier afrikanischen Arbeitern aus einem Heim, einem Studenten, einem chinesischen Handlanger aus der Textilbranche, einem Postler, zwei Vorstadt-Hausfrauen und ein paar Nachzüglern, ein Treffen zu organisieren, das die Verständigung über einen Punkt und, von den Pressionen des Staates unbeeindruckt, eine Dauer herstellen kann – um ein ihm selbst inkommensurables Unendliches wichtiger, als den Namen eines ununterscheidbaren Politikers in die staatliche Wahlurne zu werfen.

Dennoch ist das eine eigenartige Mischung aus Erweckungs-Mentalität und einer Sprache, die sicher kein Postler versteht. Also braucht Badiou einen Hochschullehrgang für Mission und Dialog in Europa?

mit uns

Da wir hier gerade eine religiöse Schiene haben, paßt der Verweis auf “Eine Gemeinschaft von großer Vielfalt”:

Emmanuel ist eine „internationale Vereinigung von Gläubigen päpstlichen Rechts”. Am 8. Dezember 1998 wurde die Gemeinschaft ad infinitum für die Gesamtkirche vom Hl. Stuhl anerkannt. Heute ist die junge Gemeinschaft in vielen Ländern der Welt aktiv. Vom Landwirt bis zur Studentin, vom Juristen bis zur Verkäuferin – Ehepaare, junge Leute und Singles gehören genauso zur Gemeinschaft wie Priester und zölibatär lebende Schwestern und Brüder. Jeder lebt in seinem familiären und beruflichen Umfeld und setzt sich besonders dafür ein, das Evangelium heute sichtbar zu machen.

Auf diese Vereinigung wurde ich aufmerksam, weil sie gemeinsam mit der kath.-theolog. Fakultät der Universität Wien einen Lehrgang anbieten will. Es gibt nicht wenige solche Lehrgänge, darunter Kurse für Lehrhebammen und Integrative Outdoor-Aktivitäten. In diesem Fall ist es aber etwas komplizierter, denn es soll um “Dialog und Mission in Europa” gehen. Das würde ich nicht inskribieren, ebensowenig wie “Kanonisches Recht für Juristen”. Aber als Programmpunkt einer Fakultät ist es doch ernst zu nehmen.

Vor allem, wenn man liest, wie ernsthaft versucht wird, der Sache den Anschein der Proselytenmacherei zu nehmen:

Der gesellschaftliche Auftrag verpflichtet die Theologie, im Angesicht verstärkter Präsenz des „Religiösen“, sowie intensivierter missionarischer Praxis der christlichen Kirchen, diese Prozesse wissenschaftlich zu begleiten. Sie hat in ihren Ausbildungen dafür Sorge zu tragen, dass Theologinnen und Theologen sowie akademisch ausgebildete Christinnen und Christen sich in dieser Situation reflektiert, kritisch und gebildet einbringen und die beschriebenen Transformationsprozesse verantwortet und handlungskompetent mitgestalten können. Dazu bedarf es fundierter universitärer Ausbildung jener Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die für pastorale Projekte mit missionarischem Schwerpunkt jetzt und in Zukunft Verantwortung tragen bzw. tragen werden. Dies ist ein wesentlicher Beitrag der Theologie an einer staatlichen Universität zu einer humanisierenden und friedenssichernden Gesellschaftspolitik.

Hat nichts geholfen. Aus dieser Passage hat ein rhetorisch gewiefter Student die Bezeichnung “Multiplikatorinnen und Multiplikatoren” herausgenommen und einer Mehrheit des Senates damit plausibel gemacht, dass wir im Falle einer Genehmigung Masterdiplome zum Gebrauch für Abtreibungsgegnerinnen verteilen.

Auf der einen Seite die Ambivalenz zwischen Gottesdienerinnen und Wissenschaft, auf der anderen der wohleingesessene Antiklerikalismus. Ich fürchte, ich muss weiterhin das Zwielicht vorziehen.

Gekreuzigte Informatik !?

Dummerweise werde ich beim Posten von Kommentaren als Spambot qualifiziert (hier wirkt sich die Eigendynamik der virtuellen Welt schon aus). So werde ich nun einen Antwortpost anstelle des Kommentars zu: “Heilige, Übermenschen, Avatare” verfassen.

Die These gegen Ende des Vortrags, dass nämlich sowohl Jesus Christus als auch die Maus eine ähnliche Vermittlerrolle inne haben, bzw. Mitglieder zweier Welten sind, ist provokant und regt zum Nachdenken an:

Dabei ist mir ein Buch von Papst Benedikt 16 (als er als Josef Ratzinger noch Vorlesungen hielt) in die Gedanken getreten: “Einführung in das Christentum”, der mir u.A. die Bedeutung des Kreuzes im Christentum etwas klarer gemacht hat. Anbei ein paar Stellen, die mir zum Thema zu passen scheinen:

“Der Glaube sieht in Jesus den Menschen[…], in dem Personalisation und Sozialisation sich nicht mehr ausschließen, sondern bestätigen; jenen Menschen, in dem höchste Einheit – “Leib Christi”, sagt Paulus, ja noch schärfer: “Ihr seid ein einziger in Christus” (Gal 3,28) – und höchste Individualität eins sind; jenen Menschen, in dem die Menschheit ihre Zukunft berührt und in höchstem Maße sie selbst wird, weil sie durch ihn Gott selber berührt, an ihm teilnimmt  und so in ihre eigentlichste Möglichkeit gelangt. Von da aus wird der Glaube in Christus den Beginn einer Bewegung sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein […] eines kommenden Menschen”.

Kommender Mensch – das findet man auch bei Nietzsche und seiner Übermensch-Konzeption.

“[D]as Kreuz […] als der Vorgang, in dem einer das ist, was er tut, und das tut, was er ist; als Ausdruck für ein Leben, das ganz Sein für die anderen ist.”

“Wer seine Existenz so ausgestreckt hat, daß er gleichzeitig in Gott eingetaucht ist und eingetaucht in die Tiefe des gottverlassenen Geschöpfs, der muß gleichsam auseinanderreißen – der ist wirklich ‘gekreuzigt’.”

Querverweis:
In meiner (bald fertigen) Seminararbeit (siehe “Noncomputable Computations”) komme ich darauf, dass Computer Science per se Mitglied zweier Welten ist. Einerseits gibt es die Welt des idealen, mathematischen, unendlichen. Auf der anderen Seite die endliche Welt der Maschinen und Menschen, die mit Alltagsproblemen fertig werden wollen. Computer Science versucht aus Erkenntnissen der idealen Welt die reale auszurichten, einzuteilen und zu steuern. Andererseits treten praktische Zusammenhänge durch geeignete Modellanpassungen in die ideale Welt. Insofern ist Computer Science auch gekreuzigt, wenn ich mir diese Verbindung erlauben darf.