Sie kauft ein Stück vom Waldviertler Guglhupf, ein Riesenstück. Es würde reichen für drei, denke ich. Sie wirkt gar nicht so hungrig, so als würde sie das Stück gar nicht für sich kaufen. Sie ist wahrscheinlich Mitglied des Pfarrgemeinderates, denke ich.
Die Verkäuferin wird plötzlich unruhig. “Jetzt geh’ raus. Verschwind! Du hast schon bekommen” faucht sie über den Tresen mit den vielen Kuchen. Aber er geht nicht weg – ein hochgeschossener, schwarzhaariger Noch-nicht-Mann, der mit einem leisen Lächeln den leer gegessenen Plastikteller über den Tresen zu reichen versucht. Provokant.
Es ist plötzlich ganz still, und die Pfarrgemeinderätin sagt laut: “Geben Sie ihm. Ich zahle, was er will.” Der Verkäuferin ist es peinlich. “Nein, das geht nicht!”. Das will Chefin nicht. Wir sollen geben, sagt Chefin. Aber nur einmal.” Sie nimmt den Plastikteller, legt ohne Nachfrage an den Hungrigen ein Stück Kuchen drauf, reicht den Teller schweigend zurück.
Die Pfarrgemeinderätin will zahlen, da mischt sich ein älterer Mann aus der Warteschlange ein: “Sie lügen alle. Alle lügen sie.” Wie kommt er auf Lüge, denke ich. “Das können wir uns noch leisten”, sagt die Pfarrgemeinderätin, “Hunger braucht hier niemand zu haben.” “Aber sie lügen ja nur.” Die Verkäuferin reicht das Geld, das sie für das Extrakuchenstück bekommen hat, zurück. “Das will Chefin nicht. Chefin ist sozial.” Ich komme dran, verlange meinen Lieblingskuchen und dass ich den zusätzlichen Kuchen bezahlen darf.
Doch die Verkäuferin bleibt dabei: “Ich bin selber Ausländerin. Ich sage meinen Kindern: Ihr müsst wissen, wie ihr euch benehmt. Der hat kein Benehmen. Wissen Sie, das ist Bettelmafia. Die sollen aufhören. Schau’n Sie draußen den Schwarzen, der Augustin verkauft. Der ist höflich. Der weiß, wie man sich benimmt.”
Kira Euklid
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