Eine interessante Auseinandersetzung hat sich heute auf der Diskussionsseite des Wikipedia-Eintrags über unseren gegenwärtigen Wissenschafts- und Justizminister entwickelt.
Author: zubin
mit uns
Da wir hier gerade eine religiöse Schiene haben, paßt der Verweis auf “Eine Gemeinschaft von großer Vielfalt”:
Emmanuel ist eine „internationale Vereinigung von Gläubigen päpstlichen Rechts”. Am 8. Dezember 1998 wurde die Gemeinschaft ad infinitum für die Gesamtkirche vom Hl. Stuhl anerkannt. Heute ist die junge Gemeinschaft in vielen Ländern der Welt aktiv. Vom Landwirt bis zur Studentin, vom Juristen bis zur Verkäuferin – Ehepaare, junge Leute und Singles gehören genauso zur Gemeinschaft wie Priester und zölibatär lebende Schwestern und Brüder. Jeder lebt in seinem familiären und beruflichen Umfeld und setzt sich besonders dafür ein, das Evangelium heute sichtbar zu machen.
Auf diese Vereinigung wurde ich aufmerksam, weil sie gemeinsam mit der kath.-theolog. Fakultät der Universität Wien einen Lehrgang anbieten will. Es gibt nicht wenige solche Lehrgänge, darunter Kurse für Lehrhebammen und Integrative Outdoor-Aktivitäten. In diesem Fall ist es aber etwas komplizierter, denn es soll um “Dialog und Mission in Europa” gehen. Das würde ich nicht inskribieren, ebensowenig wie “Kanonisches Recht für Juristen”. Aber als Programmpunkt einer Fakultät ist es doch ernst zu nehmen.
Vor allem, wenn man liest, wie ernsthaft versucht wird, der Sache den Anschein der Proselytenmacherei zu nehmen:
Der gesellschaftliche Auftrag verpflichtet die Theologie, im Angesicht verstärkter Präsenz des „Religiösen“, sowie intensivierter missionarischer Praxis der christlichen Kirchen, diese Prozesse wissenschaftlich zu begleiten. Sie hat in ihren Ausbildungen dafür Sorge zu tragen, dass Theologinnen und Theologen sowie akademisch ausgebildete Christinnen und Christen sich in dieser Situation reflektiert, kritisch und gebildet einbringen und die beschriebenen Transformationsprozesse verantwortet und handlungskompetent mitgestalten können. Dazu bedarf es fundierter universitärer Ausbildung jener Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die für pastorale Projekte mit missionarischem Schwerpunkt jetzt und in Zukunft Verantwortung tragen bzw. tragen werden. Dies ist ein wesentlicher Beitrag der Theologie an einer staatlichen Universität zu einer humanisierenden und friedenssichernden Gesellschaftspolitik.
Hat nichts geholfen. Aus dieser Passage hat ein rhetorisch gewiefter Student die Bezeichnung “Multiplikatorinnen und Multiplikatoren” herausgenommen und einer Mehrheit des Senates damit plausibel gemacht, dass wir im Falle einer Genehmigung Masterdiplome zum Gebrauch für Abtreibungsgegnerinnen verteilen.
Auf der einen Seite die Ambivalenz zwischen Gottesdienerinnen und Wissenschaft, auf der anderen der wohleingesessene Antiklerikalismus. Ich fürchte, ich muss weiterhin das Zwielicht vorziehen.
Gekreuzigte Informatik !?
Dummerweise werde ich beim Posten von Kommentaren als Spambot qualifiziert (hier wirkt sich die Eigendynamik der virtuellen Welt schon aus). So werde ich nun einen Antwortpost anstelle des Kommentars zu: “Heilige, Übermenschen, Avatare” verfassen.
Die These gegen Ende des Vortrags, dass nämlich sowohl Jesus Christus als auch die Maus eine ähnliche Vermittlerrolle inne haben, bzw. Mitglieder zweier Welten sind, ist provokant und regt zum Nachdenken an:
Dabei ist mir ein Buch von Papst Benedikt 16 (als er als Josef Ratzinger noch Vorlesungen hielt) in die Gedanken getreten: “Einführung in das Christentum”, der mir u.A. die Bedeutung des Kreuzes im Christentum etwas klarer gemacht hat. Anbei ein paar Stellen, die mir zum Thema zu passen scheinen:
“Der Glaube sieht in Jesus den Menschen[…], in dem Personalisation und Sozialisation sich nicht mehr ausschließen, sondern bestätigen; jenen Menschen, in dem höchste Einheit – “Leib Christi”, sagt Paulus, ja noch schärfer: “Ihr seid ein einziger in Christus” (Gal 3,28) – und höchste Individualität eins sind; jenen Menschen, in dem die Menschheit ihre Zukunft berührt und in höchstem Maße sie selbst wird, weil sie durch ihn Gott selber berührt, an ihm teilnimmt und so in ihre eigentlichste Möglichkeit gelangt. Von da aus wird der Glaube in Christus den Beginn einer Bewegung sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein […] eines kommenden Menschen”.
Kommender Mensch – das findet man auch bei Nietzsche und seiner Übermensch-Konzeption.
“[D]as Kreuz […] als der Vorgang, in dem einer das ist, was er tut, und das tut, was er ist; als Ausdruck für ein Leben, das ganz Sein für die anderen ist.”
“Wer seine Existenz so ausgestreckt hat, daß er gleichzeitig in Gott eingetaucht ist und eingetaucht in die Tiefe des gottverlassenen Geschöpfs, der muß gleichsam auseinanderreißen – der ist wirklich ‘gekreuzigt’.”
Querverweis:
In meiner (bald fertigen) Seminararbeit (siehe “Noncomputable Computations”) komme ich darauf, dass Computer Science per se Mitglied zweier Welten ist. Einerseits gibt es die Welt des idealen, mathematischen, unendlichen. Auf der anderen Seite die endliche Welt der Maschinen und Menschen, die mit Alltagsproblemen fertig werden wollen. Computer Science versucht aus Erkenntnissen der idealen Welt die reale auszurichten, einzuteilen und zu steuern. Andererseits treten praktische Zusammenhänge durch geeignete Modellanpassungen in die ideale Welt. Insofern ist Computer Science auch gekreuzigt, wenn ich mir diese Verbindung erlauben darf.
Heilige, Übermenschen, Avatare
In die Woche der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl und nach Allerheiligen fällt ein Vortrag, der mit Dürers Allerheiligenbild beginnt und einige Beispiele aus dem TV- und Cyberspace dagegen stellt. Achtung! Es läuft darauf hinaus, ein altes christliches Dogma, die hypostatische Union, in Beziehung zu Avataren in künstlichen Welten zu setzen.
Non-computable computations
In der Vorbereitung auf eine Seminararbeit von “Great Principles of Information Technology” bin ich gerade dabei, mich ein bisschen in Debatten über Berechenbarkeitstheorien zu vertiefen. Was mir dabei begegnet ist, dürfte auch philosophisch relevant sein:
Die Grundthese eines Artikels von “Jan van Leuuwen und “Jiri Widermann” (2000) ist, dass sich unsere Vorstellungen von dem Begriff der Berechenbarkeit verschoben haben. Berechenung ist nicht mehr nur ein mechanischer Prozess, den eine Maschine für sich alleine mit fixem Anfang und Ende ausführt, das Ergebnis ausspuckt und dann anhält, sondern unterliegt interaktiven und evolutionären, nicht-berechenbaren Elementen, die aus der Erfahrung, aus unvorhergesehenen Ereignissen kommen und die potentiell unendlich lange weiterlaufen:
The intuition that computing corresponds to formal computability by Turing machines … breaks down when the notion of what is computable is broadened to include interaction. Though Church’s thesis is valid in the narrow sense that Turing machines express the behavior of algorithms, the broader assertion that algorithms precisely capture what can be comptued is invalid.
In einer Zeit des Global Computing ist es fast ein Einzelfall, wenn ein Computer nicht mit anderen vernetzt ist. Das Verhalten des Computers verändert sich unvorhergesehen durch Viren, Software-Updates und Hardware-Updates. Diese Veränderung kann selbst nicht berechnet, sondern nur als evolutionärer Prozess beschrieben werden. Durch automatische Software-Updates und Viren können selbst Systemadministratoren nicht alle Eventualitäten dieser Veränderung überschauen.
Turing hat sein Maschinen-Modell dem Menschen, der isoliert am Fließband arbeitet oder der im Stillen mathematische Beweise führt, abgeschaut. Unsere Erfahrung zeigt, dass gerade durch die Realisierung dieses Maschinen-Modells Interaktion und Kooperation ins Zentrum unseres Interesses rücken und zu einer Erweiterung dieses Modells nötigen. Durch die Vernetzung entsteht neue Komplexität, die mit neuen Maschinenmodellen überschaut werden muss: “Interaktive Turing-Maschinen mit Beratungs-Funktion” ist die Antwort, die neue Art der Berechnung zu formalisieren. Die wesentlichen Unterschiede sind:
- Berechnung ist verstanden als eine potentiell unendliche Transformation von Zeichenketten nach bestimmten (dynamisch änderbaren) Regeln
- die Maschine kann mit anderen Maschinen oder mit der Umgebung Zeichenketten (d.h. Zwischenergebnisse der Transformation) austauschen
- die Maschine kann eventuelle Ereignisse, die Auswirkung auf die Berechnungsmethode haben (SW-Updates,…), durch Abfragen der Beratungs-Funktion zur Veränderung der Berechnungsmethode heranziehen (a posterio-Anpassung des Berechnungsverfahrens)
Ein interessanter Schritt, der am Ende der Arbeit angedeutet wird ist, dass man dieses Berechnungsmodell zurückbeziehen kann auf die Phänomene in der sozialen Welt. Jeder Akteur kann als eine “interaktive Turing-Maschine mit Beratungs-Funktion” verstanden werden. Sie handeln aufgrund eines bestimmten Schemas, jedoch kann sich das Schema aufgrund von Ereignissen und Erfahrugnen ändern, sich sozusagen selbst korrigieren. Die “Beratungs-Funktion” ist das Fenster zwischen der a-priori Welt des “eingebrannten” Regelwerks und der a-posteriori-Welt der unvorhergesehenen Ereignisse und Erfahrungen:
Consider the case of a finite system of intelligent autonomous mobile agents that move around in some environment and exchange messages by whatever formalisable means: spoken language, via mobile phones, via the Internet, by ordinary mail, and so on. Occasionally, new agents appear and start to interact with their environment. Some agents may be killed by accident, some will not work properly, but all will die after some time. For some unpredictable reasons some agents may even behave better than any other previous ones. In general all agents are intelligent, which means that they are able to learn. In the course of their education new agents will successively become skilled, start to cooperate with other agents and perhaps invent new knowledge. The wohle society will develop.
Under suitable assumptions behaviours like this can be seen as ‘computations’ of a dynamic system of interactive Turing machines with advice. The assumptions are that all agents behave as interactive algorithms and that their evolutionary upgrades and moving around in the environment as well as their interaction as well as the times of their birth and death are captured in the respective advice. The similarty with the internet machine is obvious.[…] In the virtual world modeled in a computer a virtual society could develop as envisioned above. One could monitor the respective development and could make non-computable interventions into the underlying process.
Gottes Wege sind unergründlich, genauso wie für die virtuelle Bevölkerung jene Interventionen, die wir machen könnten, wenn wir die soziale Welt im Computer simulierten. Ist der aktuelle Crash der Finanzwelt genauso unergründlich? In gewisser Weise ist er ein Ereignis, der unsere Operationsweisen verändern kann, soviel kann man zugeben.
Ein kleiner technischer Hinweis: Die Beratungs-Funktion (advice-function) ist eine schwächere Form von dem, was Turing “Orakel” genannt hat. Die Turing-Maschine braucht nur eine Anfrage an das Orakel zu stellen und erhält im nächsten Schritt die gewünschte Antwort. Bei der Beratungs-Funktion werden die möglichen Anfragen eingeschränkt, sodass die Turingmaschine trotzdem noch die Notwendigkeit hat, selbst jene Berechnungen durchzuführen, die sie durchführen kann oder um zu verhindern, dass sie “cheatet” indem sie zu komplexe Fragen stellt.
Was auch immer von dem Vorhaben – die soziale Welt zu simulieren – zu halten ist, es ist bezeichnend, dass ein neues Paradigma der Berechenbarkeit diskutiert wird, das den Fokus auf Interaktion und Kooperation legt.
Big Brother Awards
Meine Entdeckung bei der Big Brother Awards Gala war die Ästhetik der “security professionals”. Sie traten in zwei Varianten auf. Erstens standen sie wirklich beim Bühneneingang und wachten darüber, dass niemand unbefugt in die Garderobe eindrang. Und zweitens wurden sie auf der Bühne aufgeboten, mit dem entsprechenden schwarzen Anzug, dem Knopf im Ohr und der autistischen, entrückten Attitüde. Erstmals wurde mir verständlich, was daran attraktiv sein kann. Früher waren das die Löwen rechts und links von der Schlosseinfahrt, oder das Garderegiment, das vorbei defiliert. Kastraten des Geschehens, symbolisierte Bodyguards, die sich von Jenseits in die Verhältnisse einpflanzen.
Der Ablauf selbst ist in einem Tondokument festgehalten.
ab die Post
Gestern abends gab es die Big Brother Awards. Eine Preisverleihung an Personen und Institutionen, die sich besonders um die Verletzung des Datenschutzes “verdient” gemacht haben.
Mein Bezugspunkt war der Nachsendeauftrag der österreichischen Post.
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In diesem Formular wird das Geburtsdatum und der Geburtsort der Antragstellerin abgefragt.
Im Kleingedruckten findet sich ein Passus, in dem man die Weitergabe der Information an Dritte untersagen kann. Der Post ist allerdings nicht aufgefallen (oder unwichtig), dass es keine Mittel gibt, diese Option online anzukreuzen.
Und wirklich scherzhaft ist die Begründung der Post für ihren Informationszugriff. Sie sagt, dass an einer Adresse ja zwei Generationen einer Familie leben können, Josef Gruber Vater und Sohn. Die Post verschweigt uns allerdings, wie sie anhand einer Adresse “Josef Gruber” herausfindet, welcher von beiden gemeint ist.
Lebenskünstlerin. Oder: Was mich fasziniert…
Ich lausche und sehe regelmäßig den Podcast eines evangelischen Pfarrers aus Bischofshofen (AT). Der Inhalt seines Beitrags hat mich diesmal besonders erstaunt, sodass ich mich darauf kurz beziehen muss. Fernab (oder auch in Einklang) meiner philosophischen und informatischen Interessen hat mich schon immer interessiert, wie Menschen fernab der – falls es sowas gibt – “herkömmlichen” Lebensweise einen Weg für sich gefunden haben. Vor allem, um von ihnen zu lernen.
Als Student wie ich fragt man sich oft: “Ja, wann soll ich anfangen, Geld zu verdienen? Denn von irgendwas außer dem Interesse an seinen Studien muss man ja leben?” Diese Frau zeigt, dass man nicht vom Geld leben muss, sondern dass es auch heute möglich ist, direkt vom Kommunikations-&Handlungszusammenhang, den man zu seinen Mitmenschen aufbaut, seine Erfüllung zu finden.
Im Anhang der Podcast, wo Ausschnitte aus der Sendung, in der die Ausstrahlung und Bescheidenheit dieser Frau zur Geltung kommt, gezeigt werden. Eine viable Alternative zu den Ängsten, die Börsenmakler und Bankvorsitzende nun ausstehen müssen.
Heinrich Böll hatte dazu auch etwas in “Anektote zur Senkung der Arbeitsmoral” (1963) zu sagen.
Gerichtstag
Robert Pfaller regt ein Gerichtsverfahren gegen Bologna-Verantwortliche an. Ich werde mir einen Rechtsanwalt suchen müssen. Die Anklagepunkte:
- langweilige Bachelorstudien für Millionen in Europa
- Geldverschwendung durch Einführung des ECTS-Systems
- Bürokratievermehrung, Postenkeilerei
- lügenhafte Reformversprechen
Während Herr Pfaller offenbar über gesamteuropäische Daten verfügt, muss ich mich auf die Universität Wien beschränken. Das ECTS-System kostet keinen schlappen Euro. (Es hat seine eigenen Probleme, aber die liegen nicht daran, dass man für Lehrveranstaltungen Punkte vergibt.) Das “Bologna-Büro”, das die Umstellung begleitete, wird gerade aufgelöst. Die Akzeptanz und Ablehnung der neuen BA-MA-Ordnung fällt in den einzelnen Fakultäten und Studienrichtungen sehr unterschiedlich aus. Curricula mit neuartigen Konzepte stehen neben solchen, die sich auf “window dressing” beschränken.
Herr Pfaller regt an, alle Befürworter der Bologna-Reform zu entlassen. Ich nehme an, er will sich mit seiner rhetorischen Großtat für eine der damit frei werdenden Stellen qualifizieren. Vielleicht eine Professur für faktenfreie Monokulturwissenschaft.
Seiltanz zwischen Informatik und Philosophie
Ja, ein neues Uni-Jahr hat begonnen. Und wieder einmal überlege ich mir, welche Seile man zwischen den Klüften aufspannen kann, die zwischen Philosophie, Informatik und Alltag/Domain mehr oder weniger vorhanden sind. Es hat sich etwas ergeben, was schon in manchen Semestern zuvor (aber weniger drastisch) passiert ist: Auf erstaunliche Weise überschneiden sich einige der Lehrveranstaltungen thematisch. In diesem Semester passiert das so, dass die Themenbereiche der LV’s zwar heterogen sind, jedoch die einzelnen Schnittstellen eine Kette bilden, die sich sozusagen zu einem Gesamten zusammenfügen. Dieses Semester ist für meine Vorstellungen vor allem deshalb interessant, weil durch die Kompetenzerweiterungsfächer des Informatikstudiums die Reflexion über die Informatik zum Thema gemacht wird, was das Spannen von Seilen zwischen Informatik und Philosophie etwas erleichtert.
Um genauer zu zeigen, was ich damit meine, werde ich einige für das Thema relevante Lehrveranstaltungen aus meinem Semesterplan herausgreifen und ein paar dieser Verkettungen beschreiben. Zur Vereinfachung führe ich folgende Abkürzungen ein:
- OSP (Open Source Philosophie)
- SGG (Sozial&Geisteswissenschaftliche Grundlagen)
- PPS (Projekt: Platos Staat interaktiv)
- EK (Evolution der Kooperation)
- TP (Theoretische Philosophie)
- GA (Geschichte der Philosophie – Antike)
- IuR (Informatik und Recht)
- IuG (Informatik und Gesellschaft)
- OPT (Optimierung und Simulation)
- GPI (Great Principles of Information Technology)
- POS (Wider die Auflösung aller Wahrheit – Geschichte und Bedeutung des Post-Strukturalismus für ein zeitgemäßes Denken)
- XXX (Informatik-Lehrveranstaltungen vergangener Semester, die bestimmte Technologien zum Thema hatten)
Ich habe versucht, bei dem folgenden Komponentendiagramm die Syntax der Symbole weitgehend dem UML-Standard entnommen, soweit es sinnvoll war. Vor allem bei den Interfaces (die Kreise mit den Linien dran, sogenannte Lollypop-Notation). Trotzdem sollte man das Diagramm nicht nach den strengen formalen Regeln, wie sie UML vorschreibt, lesen. Die Zusammenhänge sind außerdem nicht vollständig.
Zur Erläuterung: Sehen wir uns zunächst einmal die LVs der Disziplinen isoliert voneinander an.
Philosophie:
- Innerhalb der Philosophie bildet TP den allgemeinen Rahmen, der helfen kann, spezielle Wege in einen größeren Rahmen einzuorden.
- Update: Durch eine Verschiebung der Vorlesungszeiten kann ich TP leider nicht absolvieren. Der allgemeine Rahmen sollte aber zumindest durch mein Vorkenntnis gegeben sein)
- Update2: TP-Streams gibt es auch in der Philosophischen Audiothek, was für mich die optimalste Lösung ist. Das freut mich.
- GA ist vor allem zur Ergänzung von PPS und OSP wichtig und umgekehrt können Detailerkenntnisse von PPS und OSP zu GA fließen.
- PPS liefert, da es sich um ein Projekt handelt, das aller Voraussicht von der Kooperation mit anderen LV-Teilnehmern lebt, weitere Erfahrungen mit Kooperation, die in EK zur Falsifizierung der dort behandelten Theorien dienen kann.
Vermittlung (interdisziplinär):
- Bei den Vermittlungs-Lehrveranstaltungen bilden OSP, IuG und SGG die Basis. Diese drei speisen alle mehr oder weniger von rechtlichen Überlegungen (vor allem was Datenschutz und geistiges Eigentum) betrifft, was in IuR Thema sein soll.
- Update: PPS sollte in unmittelbarer Nähe zu den Vermittlungs-Lehrveranstaltungen gesehen werden.
Allgemeine Informatik:
- Die ordnende Komponente, die den Anspruch hat, die Technologien von OPT sowie diverser anderer LVs aus vergangenen Informatik-LVs (XXX) invarianteren Prinzipien zuzuordnen, ist GPI. Als ich heute die Einführungseinheit hörte, hat mich dieser Anspruch positiv überrascht (vgl. weiter unten).
Medizininformatik:
- Ich habe die einzelnen LVs nicht mehr extra herausgehoben (man könnte hier noch viele spannende Verbindungslinien finden, doch der Überschaubarkeit zuliebe lass ich das mal). Wichtig ist, dass man hier in den Anwendungsbereich (Domäne) der Informatik kommt. Im Prinzip kann man diese Domäne als gesellschaftlichen Bereich fassen, in dem bestimmte Tätigkeiten ausgeführt werden. Ein Pflegeheim zum Beispiel. Wie kann die Informatik in den Alltag eines Pflegeheims eingreifen? Welche Anforderungen hat sie, welche Probleme gibt es bereits beim Einsatz von IT-Technologien in Pflegeheimen? Hier wären rechtliche Fragen sicher auch bedeutsam, doch in Rahmen von IuR wird das voraussichtlich nicht thematisiert.
Seile spannen:
- Die Philosophie holt sich bei PPS, das ist sicher bemerkenswert, Technologien direkt aus der Informatik, denn das Projekt wird mit einer Art Programmiersprache (auch wenn sie der natürlichen Sprache nahe kommt) realisiert.
- OSP wird vielleicht duch Reflexionen über die in der Gesellschaft integrierte IT-Technologie etwas erfrischend Neues zum Selbstverständnis der Philosophie zu sagen haben (Stichworte: Kooperation, Demokratie), was vielleicht sogar in Kontrast zur antiken Philosophie steht.
- Alle Kern-Vermittlungs-LVs reflektieren auf bestimmte Weise über die Prinzipien der Informatik oder die Einbettung der Informatik in alltägliche soziale Tätigkeiten (Pflegeheime, politische Betätigung, Selbstdarstellung,…).
Alles in allem ist, wie ich finde, das Ensemble der Lehrveranstaltungen in diesem Semester zu einem großen Teil gelungen. Es sieht zumindest auf den ersten Blick so aus, als ob das möglich wäre, was ich mir seit Beginn des Studiums wünsche: Einen konkreten Bogen zu spannen zwischen verschiedenen Denkansätzen, vornehmlichen denen der Informatik und der Philosophie. Die vor Ideen strotzende Philosophie wird über Vermittlungsstufen, die sich auf aktuelle gesellschaftliche Strömungen, sowie antiken Vorstellungen beziehen, durch die formalen Prinzipien der Informatik geschleust, um die Ideen von Jahrtausenden für die Probleme des Alltags (im Krankenhaus, im Forschungsbetrieb, im Freizeitbereich, …) zu übersetzen und vielleicht nutzbar zu machen. Dieser eigentlich Umweg von Philosophie zu den alltäglichen Gegebenheiten unseres Lebens über die Informatik dürfte für Alltag, als auch für Philosophie und Informatik fruchtbar sein, neue Perspektiven aber auch Warnungen eröffnen.
Vielleicht täusche ich mich auch, und das Ganze sieht in einem Diagramm viel übersichtlicher aus, als es dann, wenn man sich mit den Themen beschäftigt, tatsächlich ist und man verliert sich in Detailfragen der ein oder anderen Disziplin, ohne dass man fähig wäre, ein Seil zu spannen, dass irgendwie fruchtbar wäre.
GPI: Der Weg aus der Ingenieurswissenschaft
Wie oben angekündigt, noch eine kleine Reflexion über die erste GPI-VO-Einheit:
Es hat sich ergeben, dass in diesem Semester in der Informatik selbst Tendenzen zu erkennen sind, die das Spannen eines Seils zwischen ihr und der Philosophie erleichtern. In GPI wird versucht, längerlebige Prinzipien, die hinter den schnell sich abwechselnden Technologien auftreten, zu identifizieren. Dies ermöglicht es, GPI als ein ideales Interface für die Vermittlungsstufen zur Philosophie anzusehen, das die anderen in der Informatik verwendeten Technologien auf ein allgemeineres Niveau hebt. Natürlich heißt das nicht, dass dies schon alles wäre, was zur Informatik zu sagen wäre, gerade wenn es um die Einbettung der Technologien in die sozialen, alltäglichen Tätigkeiten geht, sind Philosophie, Soziologie und Kognitionswissenschaften gefragt, nachzudenken.
Worauf ich mich beziehen wollte war, dass es sich nicht nur so verhält, dass die Philosophie sich der Informatik annimmt, um sie auf den rechten Pfad zu leiten, sondern dass umgekehrt die Informatik ihren Ruf, Ingenieurswissenschaft zu sein, aufgrund der steigenden Komplexität aufzugeben hat, und ihre vielfältigen heterogenen Technologien, die sich schnell ablösen, daraufhin zu untersuchen, ob es beständigere, weitgehend invariante Prinzipien gibt, die zwar nicht ganz so hart wie die der Naturwissenschaften auftreten können, dem Informatiker jedoch stark helfen, sich in einem Wald von Technologien zurechtzufinden.
Und eine weitere interessante Frage stellt sich: Welche Grenzen ergeben sich, wenn man denjenigen oder dasjenige berücksichtigt, der oder das die Technologien benutzt? Welche Folgen hat ein Umgang mit einer Klasse von Technologien (die durch ein oder mehrere Prinzipien konstitutiert wird) für den alltäglichen “User”? Wie verändert sie das Leben des “Users” oder die Aktionsmöglichkeiten des “Bots”?
Ein Seiltanz ist gefährlich und gewagt – man fliegt vielleicht auf die Nase oder bricht sich das Genick. Irgendwann aber ist man vielleicht soweit und stellt sich nicht mehr so unbeholfen an, wenn man auf die andere Seite geht. Dann kann man mit dem Brückenbau beginnen…