Verkörperte Philosophie? Platon und die Chief Philosophy Officers

Fachzeitschriften begnügen sich nicht damit, ihre Seiten für Kulturinformationen zu öffnen[…] Zur wissenschaftlichen Strenge der Analysen gesellen sich [..] dogmatische Legenden im Predigtton. Philosophien des Armen für Fachkader! Sie entsprechen indes einem Bedürfnis.
– Michel de Certeau: Die Gegenwart wagen. Aus: GlaubensSchwachheit (Kohlhammer 2009). S.83

In dem jüngsten Blog-Artikel aus dem “Manager Magazin” schreibt Personalberaterin und Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft Irina Kummert von Ihrer Beobachtung, dass immer mehr Menschen mit Philosophischer Ausbildung Karriere in der Wirtschaft machen und allmählich in der Führung von Unternehmen landen. Sie nennt Platon als Pate, der in seiner Konzeption des Idealstaats Philosophen in Herrschaftspositionen vorgesehen hat. Sie wären besonders geeignet, Gerechtigkeit in einer Gemeinschaft zu bewahren. In dem Artikel wird dann in weiterer Folge Platon zum Vordenker für Team-Work und Heterarchie und kompatibel mit der “Intelligenz der Vielen” gemacht.

Es folgt eine kurze Kritik an der gefilterten Darstellung Platons sowie der affirmativen Bewerbung dieser Art von Karriere, ohne die Risiken zu nennen und ohne auf Brüche zwischen der Tradition Platos und den Dynamiken von (gegenwärtigen) Betriebsstätten aufmerksam zu machen. Daran schließt sich eine weitere Überlegung über die prekäre Situation verkörperter Philosophie. Sie kann sich nicht für immer auf das vorgängige, ‘gespeicherte’ Training verlassen. Sie ist eine Zusatz-Anstrengung die den stattfindenden Dynamiken der Umgebung eine  retardierende Wendung gibt, dessen Nutzen nicht greifbar ist und die nicht primär an den Bedürfnissen des Unternehmens orientiert ist, obwohl sie diese registriert und im gelungenen Fall informiert. Das geht auch in die andere Richtung: Die verkörperte Philsophie wird von den Unternehmensdynamiken registriert und – hier ist das Risiko – inkorporiert.

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Herkunft und Zukunft


Keine Zukunft ohne Herkunft?! Das kann man a.) als hilfreiches Einleitungs-Motto für einen Lesungsabends nehmen, in dem die Lesungen über Herkunft handeln. Gleichzeitig wird es b.) für nationalistische Gedanken oder als Rechtfertigung zum Überhöhen “der Ahnen” verwendet:
a.) https://www.alte-schmiede.at/programm/2019-04-09-1900/
b.) https://andreasmoelzer.wordpress.com/…/keine-zukunft-ohne-…/

Raphaela Edelbauer’s Lesung eines Ausschnittes von ihrem Roman “Das flüssige Land” hat die Sache in der Form von Anti-Heimat auf den Punkt gebracht.

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Leaving Immersion?

What makes a technique useful is that it responds to problems of the focus domain. An expert, who is using techniques is useful, if she is responsible and cares about the object of this expert domain. For example, a good project manager cares about everything that is involved in a project: people, the project goal, the means to achieve it, the timeline it requires. In every community obviously there are some who care more and some who care less. The challenge is: Why do we care? Wouldn’t we be better off if we just cared for ourselves, and just appeared to be caring while we would just be caring for ourselves?

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Klartext rappen

Wie mit Missständen – unbefriedigenden Zuständen – umgehen? Eine praktische Antwort, die mich schon eine Weile fasziniert aber auch herausfordert kommt von der Rapper-Künstlerin Sookee. Die 31-jährige ist in der eher Männer- dominierten Hip-Hop Szene Berlins aktiv, einer Szene die Labels wie “Aggro Berlin” geboren hat, bei dem Bushido und Sido unter Vertrag waren.

Sookee’s Songs basieren ebenfalls auf mitreißenden Beats, Punchlines und rhythmisch gesprochenen Texten. Jedoch ist ihre Beziehung zu Hip Hop kaum zustimmend. Zum Beispiel geht es in Songs wie “Who Owns Hip Hop?” Oder “Purpleize Hip Hop” um Praktiken und Sprechweisen in der Szene und den Mut, diese zu verändern. Wenn eine Person ihr Selbstbewusstsein dadurch aufbaut, dass sie andere kontinuierlich zu Opfern stilisiert, wenn Macht und Muskeln als Argument ausreichend sind, und Songs in diesem Stil die Charts stürmen, dann könnte einem die Luft wegbleiben. Doch Sookee rappt:

“We don’t imitate – we intimidate”.

“Unsere Waffe heißt Subversion. Sie steckt in unserem Lachen, im Unterton.
Du wirst schon merken, wie real dis is, fragen ‘was jetzt?!’
Wenn deine Lady dich dropt und mich abschleppt”
(Sookee – Purpleize Hip Hop)

szene

Jemand nimmt die Herausforderung an und fordert seinen Platz im Kampf ein. Zu welchem Preis? Schreibt sich die Spur des Bestehenden ein? Wenn ich mich auf eine Konfrontation einlasse, beanspruche ich Macht in der Auseinandersetzung. Ich brauche etwas Effektives, um die bestehende Herrschaft herauszufordern. Das ist bedrohlich. Ist es auf dieselbe Art bedrohlich wie die herrschenden Verhältnisse für die Marginalisierten? Kommt also die Imitation durch die Hintertür? Oder gibt es eine Macht, die es zwar ermöglicht, sich selbst in ein Verhältnis zu einer Szene zu setzen, dann aber nicht voraussetzt, andere permanent in Rollen zu zwängen, die nicht ihre sind?

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Zwischen Kloster und Revolution.

Ich hatte lange Zeit keine Gelegenheit und war auch nicht in der Verfassung, den täglichen Podcasts eines evangelischen Pfarrers zu lauschen. Heute, formale Software-Verifikation, Multiagentensysteme und den Zuständen der öffentlichen Infrastruktur (diesmal sind die Bundesbahnen gemeint) im Nacken, setzte ich mich auf mein Trainingsgerät und hörte gleich zwei seiner Podcasts. Ich denke, man kann darin auch etwas über eine philosophische Herausforderung lernen: Sich im Spannungsfeld zwischen Meditation und Revolution zu befinden.

Danger! High Voltage!

Weiterlesen und Hören, wen die Pointe interessiert und der christliche Bezug nicht abschreckt. Read more

Kellergleichnis

Als philosophischen Impuls beim gestrigen event in Staatz N.Ö. hatte ich mir überlegt, mit der Gegenüberstellung zwischen dem Höhlengleichnis und dem Bergsteiger Zarathustra zu beginnen. Vor mir sprach Alfred Komarek über die Landschaft des Weinviertels und die Gebräuche der Weinherstellung. Plötzlich ergab sich ein neues, anlassbezogenes Bild: das Kellergleichnis. “Mehrere Menschen sind im Keller gefesselt und sehen auf die Schatten, welche die Sonne an der Kellerwand erzeugt.”

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Ernsthafter: Von der Höhle zum Gipfel herrscht das Gesetz der Zivilisation. Platon ist der Ahnherr des Bildungsgedankens, Nietzsche extrapoliert ihn zum Übermenschen. Mit welchem Bild soll man illustrieren, dass dieser ganze Zauber selbst eine fragwürdige Veranstaltung ist? Dass man (so der erste Beitrag, den ich zu diesem Thema geschrieben habe, aus dem eigenen Körper heraus erwachen und in Gottesgesellschaft stehen kann? Ein Sprungbrett am Abgrund passt gut.

Fröhlicher: Netnakisum ist eine empfehlenswerte Musikerinnen-Gruppe. Sie machte Spaß.

sprunghaft

jgfern

Nächsten Sonntag habe ich auf einer Veranstaltung in Staatz, N.Ö. Gedanken zu einem Projekt zugesagt, das im obigen Bild dargestellt wird. In der Vorbereitung bin ich auf einen Text aus Plotins Enneaden gestoßen (IV, 8, 1-10), der mich unmittelbar gepackt hat. Ich übersetze etwas frei.

Oft, wenn ich aus dem Körper zu mir selbst aufwache, alles andere hinter mir lasse und in mich einkehre, sehe ich die erstaunliche, gewaltige Schönheit und glaube dann sicher, zum höheren Leben zu gehören. Ich befinde mich auf der Spitze des Lebens, dem Göttlichen gleich geworden und in ihm fundiert. Im Vollbesitz meiner Kraft habe ich mich über alles gestellt, was sonst noch geistig ist.

Also in der Luft, zwischen Himmel und Erde. Wie geht das weiter? Fortsetzung folgt.

Lebenskünstlerin. Oder: Was mich fasziniert…

Ich lausche und sehe regelmäßig den Podcast eines evangelischen Pfarrers aus Bischofshofen (AT). Der Inhalt seines Beitrags hat mich diesmal besonders erstaunt, sodass ich mich darauf kurz beziehen muss. Fernab (oder auch in Einklang) meiner philosophischen und informatischen Interessen hat mich schon immer interessiert, wie Menschen fernab der – falls es sowas gibt – “herkömmlichen” Lebensweise einen Weg für sich gefunden haben. Vor allem, um von ihnen zu lernen.

Ein Bild von Heidemarie Schwermer
Ein Bild von Heidemarie Schwermer, die seit 12 Jahren ohne Geld lebt, aus freien Stücken.

Als Student wie ich fragt man sich oft: “Ja, wann soll ich anfangen, Geld zu verdienen? Denn von irgendwas außer dem Interesse an seinen Studien muss man ja leben?” Diese Frau zeigt, dass man nicht vom Geld leben muss, sondern dass es auch heute möglich ist, direkt vom Kommunikations-&Handlungszusammenhang, den man zu seinen Mitmenschen aufbaut, seine Erfüllung zu finden.

Im Anhang der Podcast, wo Ausschnitte aus der Sendung, in der die Ausstrahlung und Bescheidenheit dieser Frau zur Geltung kommt, gezeigt werden. Eine viable Alternative zu den Ängsten, die Börsenmakler und Bankvorsitzende nun ausstehen müssen.

Heinrich Böll hatte dazu auch etwas in “Anektote zur Senkung der Arbeitsmoral” (1963) zu sagen.