Kein leeres Blatt

Vor 2 Wochen wurde ich auf Facebook nominiert. Eine Art virale Kampagne. Die Anleitung lautete in etwa:

  • Nimm ein leeres Blatt Papier.
  • Schreibe eines deiner Talente auf das Papier.
  • Poste in Facebook/Twitter ein Selfie, auf dem du mit dem Blatt zu sehen bist.
  • Nominiere drei Freunde.

Hier bitte, mit einer kleinen Verschiebung:

Verspielte_Ernsthaftigkeit
Kein leeres Blatt
ein gerastertes, palimpsestartiges Gebilde
eine Schicht verblasst
Neues schreibt sich in das Bestehende ein
manchmal von unserem Willen gestaltet

Im Rücken die Bücher
so zeige ich euch Text auf einem Tablet
man photographiert nicht gegen das Licht
darum bleibt der Bildschirm schwarz
Eine App modifiziert einige Pixel
und hinterlässt eine Signatur im Bild
ohne mich zu fragen

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Beyond judgement? Protestkunst Unibrennt

“Bei der Erzählung einer wohlbekannten und somit klassifizierbaren Geschichte kann ein “beiläufiges” Detail die ganze Tragweite der Geschichte verändern.” (Michel de Certeau, Kunst des Handelns, S. 174)

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Dieser Blog-Eintrag handelt von der Arbeit mit Bestehendem. Konkret von einem Artikel eines Kunstmagazins über Kunst im Zeitalter der Digitalisierung, der Unibrennt-Bewegung (Welche beim Festival für digitale Kunst Ars Electronica einen Preis bekam), und dem reichhaltigen Buch “Kunst des Handelns” von Michel de Certeau (eine Mischung aus pointierten Aussagesätzen und komprimiert-verschachtelten spekulativen Überlegungen), in dem es um die inkorporierte Intelligenz der Alltagspraxis geht.

Der Artikel ist auch ein Plädoyer fürs Ausprobieren – und fürs Ins-Spiel-Bringen von Heterogenem.

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Klartext rappen

Wie mit Missständen – unbefriedigenden Zuständen – umgehen? Eine praktische Antwort, die mich schon eine Weile fasziniert aber auch herausfordert kommt von der Rapper-Künstlerin Sookee. Die 31-jährige ist in der eher Männer- dominierten Hip-Hop Szene Berlins aktiv, einer Szene die Labels wie “Aggro Berlin” geboren hat, bei dem Bushido und Sido unter Vertrag waren.

Sookee’s Songs basieren ebenfalls auf mitreißenden Beats, Punchlines und rhythmisch gesprochenen Texten. Jedoch ist ihre Beziehung zu Hip Hop kaum zustimmend. Zum Beispiel geht es in Songs wie “Who Owns Hip Hop?” Oder “Purpleize Hip Hop” um Praktiken und Sprechweisen in der Szene und den Mut, diese zu verändern. Wenn eine Person ihr Selbstbewusstsein dadurch aufbaut, dass sie andere kontinuierlich zu Opfern stilisiert, wenn Macht und Muskeln als Argument ausreichend sind, und Songs in diesem Stil die Charts stürmen, dann könnte einem die Luft wegbleiben. Doch Sookee rappt:

“We don’t imitate – we intimidate”.

“Unsere Waffe heißt Subversion. Sie steckt in unserem Lachen, im Unterton.
Du wirst schon merken, wie real dis is, fragen ‘was jetzt?!’
Wenn deine Lady dich dropt und mich abschleppt”
(Sookee – Purpleize Hip Hop)

szene

Jemand nimmt die Herausforderung an und fordert seinen Platz im Kampf ein. Zu welchem Preis? Schreibt sich die Spur des Bestehenden ein? Wenn ich mich auf eine Konfrontation einlasse, beanspruche ich Macht in der Auseinandersetzung. Ich brauche etwas Effektives, um die bestehende Herrschaft herauszufordern. Das ist bedrohlich. Ist es auf dieselbe Art bedrohlich wie die herrschenden Verhältnisse für die Marginalisierten? Kommt also die Imitation durch die Hintertür? Oder gibt es eine Macht, die es zwar ermöglicht, sich selbst in ein Verhältnis zu einer Szene zu setzen, dann aber nicht voraussetzt, andere permanent in Rollen zu zwängen, die nicht ihre sind?

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Bewegliche Ziele

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Hin und wieder teile ich über die “Gefällt mir”-Funktion von Facebook meinen Kontakten mit, welche Artefakte oder Themen mich beschäftigen. Vor einigen Wochen habe ich den Film “Still Life” von Uberto Pasolini auf diese Weise geteilt. Ich gab den Titel in die Suchbox ein, und es erschien ein Bild des Protagonisten John Mae (gespielt von Eddie Marsan), der untrennbar mit dem Film verbunden ist. Ein Klick auf “Gefällt mir” bewirkt einen Eintrag auf meinem Profil, der stellvertretend für die Aussage steht: “Still Life ist ein guter Film.”

Heute sehe ich ein unbekanntes Bild über dem Text “Still Life” bei den “Gefällt mir”-Angaben: Zwei Asiaten auf einem Motorrad.

likes

Ein Klick auf das Bild ergibt, dass der Film von Uberto Pasolini mit dem gleichnamigen Film des chinesischen Regisseurs “Jia Zhangke” zusammengelegt wurde. Das stört den Bezug zum guten Film den ich auf meinem Profil herstellen wollte. Sogar das Icon, das stellvertretend für den guten Film steht, hat sich verändert.

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Vereinfachung?

Freitag. Zur Feier des Tages sehe ich mir eine Vorlesung von Slavoj Žižek an: “The Buddhist Ethic and the Spirit of Global Capitalism“, gehalten 2012 an der European Graduate School in Saas-Fee. Darin sind spannende Bemerkungen zu Buddhismus und Kognitivismus zu finden. Danach hatte ich die Tendenz, das Video genauer zu analysieren und zu annotieren, jedoch nicht das Video in Text zu übertragen (das Transkript ist mit einigen Fehlerrn bereits auf YouTube vorhanden). Die naheliegendste Option ist das Video in YouTube noch einmal hochzuladen und dort zu zerlegen. Ist das die einzige Option im Web? Die Suche führt mich zu Alternativen die keine sind und zu einem Merkmal post-politischer Situationen.

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Girls with Guns

Am 8. März sah ich einen Film aus dem Genre “Rape & Revenge”: A Gun For Jennifer. Eine junge Frau wird von einer Gruppe von Rächerinnen aus den Fängen zweier Vergewaltiger gerettet, mit einer Waffe ausgestattet und in die extreme Gruppe aufgenommen. Ein Strip-Club dient als Basis, von dem aus die Gruppe potenzielle Vergewaltiger ausfindig macht, kastriert und tötet. Eine schwarze Polizistin ermittelt gegen sie, doch hat ebenfalls die Männer in ihrem Polizeirevier satt. Selbstjustiz à la Batman im Gotham City für Gender-Angelegenheiten. Nach dem Film bin ich so klug wie zuvor. Vielleicht hilft Literatur…

Bei der Darstellung von Überschreitung und versuchter Vergeltung begibt man sich auf vermintes Terrain. Mit dieser Erkenntnis beendet Julia Reifenberger ihre Jogging-Tour durch die Filme des Rape-and-Revenge Genres in dem kleinen Buch “Girls with Guns: Rape & Revenge Movies: Radikalfeministische Ermächtigungsfantasien?” (Bertz + Fischer 2013)

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Genug zerstört: Kann Miley Cyrus Israel retten?

   “Wrecking Ball” seemed like the obvious choice because the Middle East is saturated with destruction.
Orit Arfa

Herbert Hrachovec macht im letzten Beitrag die Grenzenlosigkeit der Kugel im Wrecking Ball Video stark. Eine Kugel, besetzt von einer jungen Frau. Dieses Motiv sei die einzige Komponente, die von allen Nachahmungen wieder aufgenommen wird. Ich kenne kein Wrecking Ball Video ohne die schwingende Kugel, das stimmt. Nur ich sehe eine Abrisskugel, auf der eine attraktive, junge Frau schwingt wie auf einer Schaukel. Eine massive Kugel, abgeschlossen und opak, die sich im Verlauf gegen ihre Besitzerin richtet.

Abrisskugel       myci

 

 

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Wir wollen Zitate

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Eine Parodie, so wie die im letzten Kommentar angeführte ist umwerfend im Wortsinn. Die Relokalisierung des Werks modifiziert seine Effektivität. Die Repräsentation durch die Parodie bringt einen Themawechsel oder eine Themaverschiebung. Sie macht durch Verfremdung einzelne Features des Werks sichtbar und diskutierbar, die im Werk mesmerisierend wirken. Manch Luftschloss löst sich auf – zum Nutzen oder Nachteil.

Parodien und andere Meta-/Hyper-Bezugnahmen können durch Begrenzung eines exzellenten Werks mitunter schöne, wichtige Themen der Lächerlichkeit preisgeben. Um es mit Filmen zu sagen: Was ist “Scary Movie” im Vergleich zu “The Shining”? Parasitär. Die Parodie von Horrorfilmen ist kein Horrorfilm; bis auf exzellente Ausnahmen wie “The Cabin in the Woods”, dessen Plot alle Klischees bedient:

Five friends go for a break at a remote cabin in the woods, where they get more than they bargained for. Together, they must discover the truth behind the cabin in the woods.

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I came in like a wrecking ball

Die Überschreitung einer Grenze von einem Staat zum anderen ist in Europa eine reguläre Aktivität. Man kann als Europäerin ohne Reisepass von Wien nach Zürich fliegen, solange man nicht zu viel Wasser mitnimmt.

Bei Flügen ab 2013 wieder Flüssigkeiten im Handgepäck erlaubt

Das Hoheitsgebiet eines Landes, seine Souveränität, transformiert sich. Ein Staat ist nun eine Organisation unter vielen, die zugestimmt hat, sich an Spielregeln zu halten (durch bilaterale Abkommen, durch Verträge der Europäischen Union) und dessen Einwohnerinnen vielfältige Ziele verfolgen.

Die Homogenisierung der internationalen Rechtslage erodiert nationale Grenzen und schafft andere. Da eine Person nach Überfliegen der Staatsgrenze vergleichbaren Gesetzen unterliegt, ist die Feststellung ihrer Identität an Staatsgrenzen weniger wichtig.

Die Konsistenz des (multi)kulturellen Staates muss bei steigender Mobilität anders erreicht werden. Verhaltensanalyse und konformes Verhalten (im Rahmen zulässiger Abweichungen) sind wichtiger denn je, wenn man Individuen in der Welt nicht stabil zu Gruppen mit fixen Merkmalen zählen kann.

Die just in time Gruppenzuweisung erstickt die Tendenzen der Zugewiesenen. Grenzüberschreitungen können zwar überall und jederzeit auftreten, doch Staaten und Organisationen möchten darum- unter bestimmten Bedingungen – überall nachsehen und erschaffen für praktisch jede Abweichung ihre Cluster. Die technischen Errungenschaften helfen dabei (Scanner am Flughafen, extensive Datenanalyse bei elektronischer Kommunikation). Was manchmal zu vertiginösen und allergischen Reaktionen führt.

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Wenn Du vor mir stehst und mich ansiehst…

Es gibt einen Unterschied zwischen Bricolage – als Tätigkeit von Individuen, sich in einem einschränkenden System unerwartete Möglichkeiten freizuspielen, und Bricolage – als einem System, das sich totale Freiheit auf die Fahnen schreibt.

bricolage_total_freedom

 

Anders gesagt: Was bedeutet freispielen in einem Zeitalter, wo leichtgewichtige Aggregation und Entfesselung zum System wurden? Der vorliegende Artikel stellt keine Antwort dar. Wir sehen uns ein Beispiel von Bricolage an, 40 Jahre früher, das trotz (oder wegen) einer ehrfürchtigen Verwendung des Vorgefundenen, stabilisierte Erwartungen durchkreuzt.

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