Zurich Kundenservice

In unregelmäßigen Abständen packt mich der Ärger über die sprachliche Schlamperei, die an der Universität ausgebrochen ist. Die Umstellung zu einem Unternehmen läßt ehemalige Standards des korrekten Ausdrucks leicht in Vergessenheit geraten. Manchmal denke ich: solche Ausrutscher würde sich eine Bank oder eine Versicherung niemals erlauben.

Ein frommer Irrtum. Die Zurich schickt mir einen Brief, um mich als Kunden ihrer KFZ-Versicherung zu gewinnen. Ich stutze: in der 2. Zeile ein das-Fehler:

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Der zweite Absatz beginnt sprachlich unbeholfen. Es sollte besser heißen: “Wenn Sie ihr Auto immer benötigen”. Und dann entwickelt er das interessante Konzept der “Pannen oder Unfällen bis zu 6 Tagen”.

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Dauern die Pannen sechs Tage? Oder soll das Tage und nicht Tagen heißen:”bis zu 6 Tage einen Ersatzwagen zur Verfügung”. Nun gut, das ist ein wenig beckmesserisch. Aber “Fahrläsigkeit”?

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Zum Abschied, damit Sie sich persönlich angesprochen fühlen, das etwas andere Angebot:

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Hier der Brief im Ganzen.

un-flach

Dienstag das im vorigen Beitrag kritisierte Interview, Mittwoch eine Überraschung, Jacques Ranciéres Das Unvernehmen. Das ist wirklich eine eindrucksvolle Schrift. Zwei Punkte finde ich besonders markant.

  • die athenische Demokratie ist sozusagen passiert
  • sie besteht in einer strategisch-prinzipiellen Verdrehung

Demokratie ist nicht primär ein Ideal, dem wir nachzueifern haben und das immer nur unvollkommen realisiert wird. Historisch gesehen ist diese Staatsform in Athen dadurch entstanden, dass verschuldete Bürger nicht mehr versklavt werden durften. Damit wurde eine “Isonomie” wirtschaftlich unvergleichbarer Personen(gruppen) geschaffen. Die Philosophie reagiert darauf.

Wer kein Geld hat und nicht durch besondere Fähigkeiten auffällt, hat dennoch eine Qualität: er darf das Schicksal der Stadt frei mitbestimmen. Diese Freiheit hängt zwar völlig in der Luft, weil ihr jede sachliche Unterfütterung fehlt, aber sie ist – durch das Gesetz der größeren Zahl – der bestimmende Machtfaktor der civitas. Die leere Freiheit regelt die sachlichen Entscheidungen, das ist von Anfang an schief.

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Foto: ArtGeneric. Flickr 2440553349

Flachgang?

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Peter Harlander, Robert Buchschwenter, h.h. Foto: P. Harlander

Gestern fand in Linz im Rahmen von 80+1 ein Expertengespräch zu Identität im Internet, speziell im Hinblick auf “Second Life” statt. Heute stoße ich zufällig auf eine Äußerung Jaques Rancières zu diesem Thema:

Jacques Ranciére. Aesthetics Against Incarnation: An Interview by Anne Marie Oliver. Critical Inquiry 35 (2008) Die Frage: “What about virtual reality?”

Virtual reality and all those video games that create a virtual reality are a form, one form among others. You have multimedia reality; you have virtual reality; you have the creation of imaginary worlds — Second Life and so forth.

It’s a kind of substitute, of course, for resurrection and the other world, but, in this case, we are in the field of social imagination rather than the field of art. … It is not the case that every reality has become virtual, for solid things still exist, and it is not true that everything melts into air – no, they don’t melt into air.

Das – und noch mehr Oberflächlichkeiten – in einem renommierten Journal! Und zur Plattheit paßt die Auferstehung. Die Versicherung, dass es sich um soziale Imagination handelt und sich nicht alles in Luft auflöst. Wir sind in unserem Gespräch auch an diesen Punkt gekommen, aber so flach ist das nicht geblieben. Das kommt davon, wenn man etwas analysiert, dessen Hintergründe man nicht untersucht hat, in diesem Fall die Logik der Interaktivität.

fehlende Bilder

Abadia de Fontenay
Image via Wikipedia

Die ehemalige Zisterzienserabtei Fontenay ist die zweitgrößte Touristenattraktion Burgunds. Sie liegt, wie bei den Zisterziensern üblich, in einem separaten Tal, in schöner Einsamkeit, an einem kleinen Flüsschen. Ein perfekter Rasen begrüßt die Besucher. In einem großen Nutzgebäude befindet sich ein riesiger, wassergetriebener Schmiedehammer, der durch ein EU-Projekt unter Beteiligung mehrerer technischer Schulen rekonstruiert wurde.

Die Sehenswürdigkeit des Bauwerks hat selbst eine Geschichte. Was derzeit mit 3 Sternen ausgestattet in allen Reiseführens figuriert, war Ende des 19. Jahrhunderts eine Industrieruine. Die Französische Revolution beendete den Klosterbetrieb. Und dann:

Vente de Fontenay par les révolutionnaires. L’Abbaye est transformée en papeterie par le premier acheteur, M. Hugot.

Logisch: Zur Papierproduktion brauchte man große Gebäude und fließendes Wasser.

Zahlreich sind die Bilder, die man im Netz, bereitgestellt durch Fremdenverkehrsagenturen und Urlaubsknipserinnen, von der Abtei sieht. Kein einziges Bild zeigt die ehemalige Papierfabrik. (Im Bookshop kann man eines finden.) Auch die illustrierte Geschichte der Abtei läßt diesen Zustand aus.

An der Rückseite des Bilderüberschusses, der sich im Internet beobachten läßt, vermehren sich auch die Lücken, die in keiner Urlaubsreise geschlossen werden können.

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born in the USA

Ich schreibe an einem Artikel: “Zweimal Paris: Wahn und Wirklichkeit”. Er beginnt mit einer Episode, die M. Foucault zitiert. Ein Psychiater des 19. Jahrhunderts ist mit einem Patienten konfrontiert, der die Existenz von Paris leugnet. Als der Nervenarzt mit ihm nach Paris fährt, antwortet der Patient: Das ist die Provinzstadt Langres, die nur so aussieht, wie Paris. Eine erste Pointe besteht darin, dass man in diesem Fall den Wahrheitsanspruch nicht relativistisch abwerten kann. Es geht – für beide Seiten – um einen Konflikt. Wenn einander die Positionen nicht ernsthaft gegenüberstehen, gerät man von einem Erkenntnisproblem zur Psychotherapie.

Auch ohne den psychiatrischen Hintergrund trifft man auf ähnliche Konfrontationen. In den USA wird derzeit von einigen Freaks die Staatsbürgerschaft Barack Obamas abgestritten. Das Video ist “spooky”:

Der Präsidentensprecher nimmt es richtig:

Informationen zu den Fakten hier oder hier.

trying to unfuck my system

AMD64 Logo
Image via Wikipedia

Auf einem Rechner, den ich verwalte, läuft Debian lenny auf einer 64-bit Architektur. Der Zentrale Informatikdienst bietet eine backup-Lösung, die ich auch in Anspruch nehme. In Anspruch nahm, denn plötzlich produzierte der Aufruf eine Fehlermeldung. Angeblich wurde das Programm nicht gefunden.

Einige Recherchen ergaben dieses schöne Studienbeispiel für open source Empörung:

ia32-libs transition

Aneurin Price
Mon, 29 Jun 2009 18:12:17 -0700

Hi,

I’ve just spent over an hour writing and rewriting this mail, and determined
that I can’t think of a single constructive thing to say.

So I’ll just ask a couple of questions instead:

Is there any way of preventing this kind of major breakage in the future?
I don’t think many people expect that upgrading one package will FUBAR
the packaging system.

Is there any chance of Wine becoming functional on amd64 in the forseeable future?

Did anyone who isn’t on crack get to see ‘ia32-apt-get.preinst’ and
‘ia32-apt-get.postinst’ before they were perpetrated upon an unsuspecting
populace? Reading them in the process of trying to unfuck my system made me feel more than slightly ill.

-Nye

Die oben genannte Bibliothek ermöglicht es, auf 64-er Rechnern 32-Bit-Software laufen zu lassen und man sieht, was passiert, wenn man ein Spinnennetz mit den bloßen Fingern zu modifizieren sucht. Weitere Beiträge in diesem Umfeld.

Das führte schließlich zu diesem Ergebnis. Eine Fallstudie über Ärger und Kooperation in der offenen Softwareentwicklung.

Für mein backup muss ich einstweilen Notlösungen heranziehen.

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Lückengesetz

Italien - Italy - Europa -Treppe zum "Dor...
Image by Ela2007 via Flickr

Die Novelle des UG2002 ist vom Nationalrat beschlossen. Ein prinzipienloses Potpourri von kleinen Geschenken an die universitären Instanzen und einem großen Geschenk, das sich das Ministerium selbst gemacht hat.

Max Kothbauer, Vorsitzender des Universitätsrat der Universität Wien, hatte im Standard einen umstrittenen Kommentarverfasst. Er sieht die Entwicklung im Großen positiv und stellt sich gegen die habituellen Skeptiker.

Gerhard Clemenz hat mit Nachdruck gekontert. Und auch die neue ÖH-Vorsitzende Sigried Maurer teilte die schönen Aussichten nicht.

Hier der

[display_podcast]

Bericht des ORF über die Beschlussfassung im Nationalrat. Minister Hahn ist, wie man daraus entnehmen kann, nicht in der Lage, zwischen der Teilzeitautonomie eines (zur Hälfte) von der Regierung eingesetzten Gremiums und der Hochschulautonomie als einer Verfassungsbestimmung der Republik zu unterscheiden.

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Der Elfenbeinturm und seine Türen

Wo kämen wir hin, wenn Schuster ihre Schuhe nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für Schuster anfertigen würden?

Diese Frage stellt Roland Reichenbach am dies facultatis der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, nach der Antrittsvorlesung von Frau Violetta Waibel, und vergleicht sie (die Schuster) mit den Philosophen, die ihre Arbeiten nur für Fachkolleginnen schreiben.
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sehen, was man denkt

luspru1

Nochmals das Event Sonntag vor einer Woche. Ich habe es metaphysisch kommentiert, was angesichts der Möglichkeit des Todessprungs ja nicht verkehrt sein kann. Hinterher jetzt noch eine Beobachtung zur Wirksamkeit von Bildern, speziell von solchen, die Ideen darstellen.

Der Witz der Aktion in Staatz war in der Werbekarte deutlich sichtbar, ein Trampolin über dem Abgrund:

luft2

Das war zu sehen, aber wie? Das heißt: Was hat jemand gesehen, der diese Karte in die Hand bekommen hat. In meinem Fall muss ich gestehen, dass ich es als ein Foto genommen habe. Sicher, der undefinierte schwarze Balken an der entscheidenden Stelle, an welcher das Brett befestigt ist, war mir aufgefallen. Aber den Mangel an Detail kompensierte die (halb-bewußte) Überlegung, das sei eine Unzulänglichkeit des Fotos, z.B. fehlendes Licht. Mit klarem Blick kann jede sehen, dass es sich um eine Photoshop-Kreation handelt.

Die Idee hat die Sichtbarkeit überlagert. Oder platonisch formuliert: Was man im Kopf hat, ist eben besser sichtbar, als was die Augen bieten. Die “Unaufmerksamkeit” den Details gegenüber hat den Witz der Installation hervorgehoben, da spielt die Mechanik eine nachgeordnete Rolle. Wer will schon wissen, wie das blöde Brett technisch befestigt ist?

Fernsprung_Staatz

Und hier der Wortbeitrag:

[display_podcast]

“Success” für Alle?

(10:00)
Gerade findet die Karriere-Messe Uni Success statt. Während sich einige um ein Gratis-Bewerbungsfoto/Frühstück anstellten oder sich mit den Leuten am Messestand unterhielten, nutzten andere den Kontext, um “den Widerstand zu organisieren”. Und zwar gegen die UG2002-Novelle.

Die Kritik – wie ich dem Flyer entnehme – richtete sich vor allem gegen:

  • Zugangsbeschränkungen für Master- und PhD-Studien
  • Studieneingangsphasen, die den Studienbeginn erschweren
  • Unterfinanzierung der Unis, zu wenig Geld für Stipendien- und Familienbeihilfe
  • die Ausschreibung des Rektorsposten vom Universitätsrat statt wie bisher vom Senat

Schlachtrufe wie Wessen Uni? Unsre Uni! oder Master für Alle – und zwar umsonst hallten aus den Megaphonen – durch die Aula und den Arkadenhof. Trillerpfeifen. Emotionen. Die Polizei begleitete die um den Arkadenhof wandernde Gruppe, während andere Studierende die Lage beobachteten und die Flyer lasen.

Das hat den Ablauf der Eröffnung stark erschüttert. Angekündigt war eine 15-minütige Eröffnung mit Wissenschaftsminister, Rektor und Uni-Port-Geschäftsführer, die genauso wie die angekündigte Diskussion “Wie verändert Online-Kommunikation unsere Welt?” entfielen.

Eine Szene, die ich beobachtet habe: Drei der Demonstranten (m/w) mussten von den Veranstaltern gehindert werden, Broschüre-Ständer mitzunehmen. Sie erklärten ihr Verhalten in etwa mit: Wir haben aber dafür bezahlt.

(12:00) Mittlerweile hat sich die Demo aufgelöst. Bewertungen überlasse ich den Kommentatorinnenen (m/w).