Zur Raum- und Ressourcenfrage

Im Kontext der Debatte um Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen wird oft ein reziproker Zusammenhang zwischen Studierendenzahl und Qualität des Studiums hergestellt, etwa: Bei einem schlechten Betreuungsverhältnis kann man keine gute Lehre machen, darum sind Zugangsbeschränkungen notwendig. Das mag für gewisse Formate von Lehrveranstaltungen (etwa ganz krass bei Übungen ab dem zweiten Studienjahr des Medizinstudiums, nachdem ein Grundstock des Faktenwissens aufgebaut wurde und wo es um praktische Belange geht, die am Besten mit individueller Anweisung gelernt werden) zutreffen. Doch ein großer Teil von Zeit- und Geld-Ressourcen wird momentan verwendet, jedes Jahr dasselbe Programm durchzuziehen, völlig unabhängig von Studierendenzahl und aktuellen Entwicklungen, oder Wortmeldungen der Studierenden.  Das ist gar keine Kritik am Inhalt sondern eine Frage, ob Lehrende einer Universität auf diese Art ihre Zeit und Energie verwenden sollten? (Man könnte böse gesagt von Rationalisierungsmaßnahmen sprechen; jedoch verlöre niemand seinen Job: Man hätte mehr Zeit für so dringend benötigte Dinge, nämlich individuelle Betreuung und Forschung bzw. forschungsnahe Lehrveranstaltungen)

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What is the Matrix?

Gerade arbeite  ich mich durch den Endbericht der Evaluation des Organisationsplans. Es wurden Interviews und auf Basis derselben Online-Surveys durchgeführt. Das wichtigste der ersten 10 Seiten: Unzufriedenheit über zu stark gesteuerte Kommunikationsprozesse (“Befehlsempfänger”), des Organisationsplanes im Allgemeinen (beim wissenschaftlichen Personal) und über das UG 2002. Dann wird gefragt, welches Profil durch den Organisationsplan gestärkt würde:  “WissenschafterInnen benennen hier an erster Stelle die „Matrixstruktur von Forschung und Lehre“ (gleichbedeutend mit einer tendenziell voneinander unabhängigen Organisation von Forschung und Lehre)” Was bedeutet das?

Rot oder Blau?

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Kronenzeitungsniveau

“Die Presse” brachte am Montag einen Bericht über den österreichischen Bologna-Komplex. Er ist gezeichnet von ROSA SCHMIDT-VIERTHALER UND CHRISTOPH SCHWARZ. Die Recherche führte Frau Schmidt-Vierthaler auch zu mir. Ihre Sachkenntnis zeigte sie mit der Frage, warum die Institute nicht konsultiert wurden, als man freie Wahlfächer aus den Curricula nahm. Die Seriosität ihrer Berichterstattung läßt sich aus der folgenden Dokumentation ermessen.

Eine Frage lautete, warum die freien Wahlfächer in einigen Studien stark reduziert wurden. Das schrieb ich zurück:

“Auf die Schnelle” ist sie nicht zufriedenstellend zu behandeln. Das beginnt damit, dass es im juridischen Sinn nirgendwo mehr “freie Wahlfächer” gibt. Die waren eine Erfindung des UniStG 1998, was eine eigene Geschichte ist. Mit der Bologna-Umstellung ergibt sich die Frage, wieviel “Bewegungsspielraum” in den neuen Curricula vorzusehen ist und zwar – anders als in den Diplomstudien – in einer Bachelor/Master-Abfolge.

Darüber muss man sehr genau sprechen. Die kurze Antwort auf Ihre Frage ist (das ist jetzt meine zusammenfassende Einschätzung): Eine inadäquate Regelung aus 1998 ist unter den Voraussetzungen der Hochschulautonomie an verschiedenen Universitäten und in verschiedenen Studienrichtungen in unterschiedlicher Weise korrigiert worden.

Daraus wurde Folgendes:

Für die Reduktion der Wahlfächer verantwortlich sind die Senate. Der Senat der Uni Wien sieht Wahlfächer als „inadäquate Regelung eines überholten Uni-Gesetzes“.

“Wahlfächer” kommen in den meisten bestehenden Curricula vor, “freie Wahlfächer” sind, wie ich deutlich machte, eine Kreation des UniStG 1998.

Es ist, wie wenn mich jemand fragt, warum ich laute Musik problematisch finde. Ich antworte, weil laute Musik meine Ohren geschädigt hat. Und die Person verbreitet nun, dass ich Musik problematisch finde, weil sie meine Ohren schädigt.

xybernetiz

Critical Inquiry is a n important US-american journal which, in his current edition, contains an article by Lydia H. Liu, entitled: “The Cybernetic Unconscious: Rethinking Lacan, Poe, and French Theory”.

It is well known that the term “cybernetics” derives from the greek expression for steersman. And there is some intellectual capital to be gained if you demonstrate your knowledge of the Greek language. So we get the following explanation:

Unfortunately, the first as well as the last letter are are wrong. It should be “κυβερνητης”. This is an embarrassing faux pas, really. The author (or proof reader) is showing her incompetence in the very act of trying to show off her erudition.

It also is painful for someone noticing the glitch. Should one just disregard it as an unfortunate accident – or should one complain, since classical education matters? Which amounts to boasting about the very same competence the author seems to lack.

Apologie des Handels

Wer Goethe liest, der setzt sich gezwungenermaßen mit kontingenten Lebenszielen auseinander. Bei besonders argen Fällen setzt Goethe aber noch eins drauf und verleiht auch den scheinbar unerwünschten Ansichten einen Antrieb zur Formgebung, zur bildenden Vereinigung von “Form und Sache”, der diese sogar neben der künstlerischen Formgebung immernoch gut wegkommen lässt.

Gleich am Anfang der Lehrjahre gibt es eine kleine Auseinandersetzung zwischen Wilhelm und seinem Freund Werner: die “Apologie des Handels”. Es ist in gewissem Sinn ein Glanzstück der Irritation, wie Werner seinem Freund die Welt des Kaufmanns schmackhaft machen will.

Leider siehst du nicht, mein Freund, wie Form und Sache hier nur eins ist, eins ohne das andere nicht bestehen könnte. Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch, der übel haushält, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gerne zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirte nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Glückes zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdrießlich überrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weiß sogleich, was für erworbene Vorteile er auf die andere Waagschale zu legen hat. Ich bin überzeugt, mein lieber Freund, wenn du nur einmal einen rechten Geschmack an unsern Geschäften finden könntest, so würdest du dich überzeugen, daß manche Fähigkeiten des Geistes auch dabei ihr freies Spiel haben können.
[…]
Glaube mir, es fehlt dir nur der Anblick einer großen Tätigkeit, um dich auf immer zu dem Unsern zu machen; und wenn du zurückkommst, wirst du dich gern zu denen gesellen, die durch alle Arten von Spedition und Spekulation einen Teil des Geldes und Wohlbefindens, das in der Welt seinen notwendigen Kreislauf führt, an sich zu reißen wissen. Wirf einen Blick auf die natürlichen und künstlichen Produkte aller Weltteile, betrachte, wie sie wechselsweise zur Notdurft geworden sind! Welch eine angenehme, geistreiche Sorgfalt ist es, alles, was in dem Augenblicke am meisten gesucht wird und doch bald fehlt, bald schwer zu haben ist, zu kennen, jedem, was er verlangt, leicht und schnell zu verschaffen, sich vorsichtig in Vorrat zu setzen und den Vorteil jedes Augenblickes dieser großen Zirkulation zu genießen! Dies ist, dünkt mich, was jedem, der Kopf hat, eine große Freude machen wird.
[…]
Besuche nur erst ein paar große Handelsstädte, ein paar Häfen, und du wirst gewiß mit fortgerissen werden. Wenn du siehst, wie viele Menschen beschäftiget sind; wenn du siehst, wo so manches herkommt, wo es hingeht, so wirst du es gewiß auch mit Vergnügen durch deine Hände gehen sehen. Die geringste Ware siehst du im Zusammenhange mit dem ganzen Handel, und eben darum hältst du nichts für gering, weil alles die Zirkulation vermehrt, von welcher dein Leben seine Nahrung zieht.
[…]
Es haben die Großen dieser Welt sich der Erde bemächtiget, sie leben in Herrlichkeit und Überfluß. Der kleinste Raum unsers Weltteils ist schon in Besitz genommen, jeder Besitz befestigt, Ämter und andere bürgerliche Geschäfte tragen wenig ein; wo gibt es nun noch einen rechtmäßigeren Erwerb, eine billigere Eroberung als den Handel? Haben die Fürsten dieser Welt die Flüsse, die Wege, die Häfen in ihrer Gewalt und nehmen von dem, was durch- und vorbeigeht, einen starken Gewinn: sollen wir nicht mit Freuden die Gelegenheit ergreifen und durch unsere Tätigkeit auch Zoll von jenen Artikeln nehmen, die teils das Bedürfnis, teils der Übermut den Menschen unentbehrlich gemacht hat? Und ich kann dir versichern, wenn du nur deine dichterische Einbildungskraft anwenden wolltest, so könntest du meine Göttin als eine unüberwindliche Siegerin der deinigen kühn entgegenstellen. Sie führt freilich lieber den Ölzweig als das Schwert; Dolch und Ketten kennt sie gar nicht: aber Kronen teilet sie auch ihren Lieblingen aus, die, es sei ohne Verachtung jener gesagt, von echtem, aus der Quelle geschöpftem Golde und von Perlen glänzen, die sie aus der Tiefe des Meeres durch ihre immer geschäftigen Diener geholt hat.

Beeindruckt zeigte sich auch schon Schiller in einem Brief an Goethe (Jena, 9. Dezember 1794):

Die Apologie des Handels ist herrlich und in einem großen Sinn. Aber daß Sie neben dieser die Neigung des Haupthelden noch mit einem gewissen Ruhm behaupten konnten, ist gewiß keiner der geringsten Siege, welche die Form über die Materie errang.

Professuren heute.

Wenn eine Fakultät 3 neue Professuren bekommt, vermutet man als naiver Student, dass das u.A. Auswirkungen auf die Lehre  haben wird, dass z.B. neue Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis aufscheinen. Wenn man dann hört, dass die Verträge von Professoren – je nachdem – Lehrverpflichtungen inkludieren, die nicht zusätzlich entgolten werden, befürchtet man, dass die Qualität der Lehre darunter leiden könnte, da sie als notwendiges Übel betrachtet werden könnte, denn im CV sind die Ergebnisse von Lehrveranstaltungs-Evaluationen nicht vermerkt, sondern Anzahl der Veröffentlichungen. Doch diese Befürchtung ist unbegründet. Diese schon.

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Der Schein billiger Überlegenheit

Habe mich vor ein paar Tagen mit Werken und Vorlesungen von Heidegger für die Semesterferien eingedeckt, eigentlich mit dem Ziel, eine kleine Arbeit über die Aristoteles-Interpretation von Heidegger (speziell für das Werk “Peri Hermeneias”) zu beginnen, die sich für das entsprechende Lektüreproseminar verwerten lässt.

Als jemand, der eine vage Vorstellung von der geschichtlichen Entwicklung der Logik bis zu ihrer Operationalisierung in der Informatik hat, ist mir GA 38 “Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache” ins Auge gesprungen. Leider muss man da schon in §1.c.alpha folgendes lesen:

“>A ist B< und >A nicht Nicht-B< können nicht zugleich wahr sein (gilt bis Hegel). Dies ist die Grundregel der Widerspruchslosigkeit.” (GA 38, S.2)

Wenn man die doppelte Negation (in einer klassischen Logik) auflöst kommt als Grundregel der Widerspruchslosigkeit raus: “A ist B” und “A ist B” können nicht zugleich wahr sein.

Hoffentlich war es nur ein Trankriptionsfehler oder ein Fehler von Wilhelm Hallwachs beim Anfertigen der Vorlesungsnachschrift:

“Nur eine lange und schmerzhafte Ablösung bringt uns ins Freie und bereitet vor, die neue Gestalt der Rede mit zu schaffen. Wir sagen uns los von jedem Schein billiger Überlegenheit, die in der Logik nur Formelkram sieht. Wir lernen ernst nehmen die Macht eines Denkens seit langem und dessen schöpferische Überwindung, ohne die ein Wandel unseres Daseins haltlos sein wird.” (GA 38, S.9)