Unendliche Mengen. Teil 1: Eine Übung mit JavaScript

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Wir schreiben. Ein Spiel mit Zeichen, Manipulationen von Strings nach Regeln. Und dann, was damit anfangen? In der Anwendung, d.h. dem Einsatz der eingeübten Regeln in der vielfältigen Welt, gewinnen die Spielzüge ihren Wert.

Das Spiel mit Zeichen aber ist selbst ein Weltgeschehen. Und während es sich als Ordner der Welt betätigt, kommen Zweifel auf – über die Welt der Ordnung. Was tut es mit den unendlichen Mengen an Vorkommnissen? Immer kleinteiliger zerlegen. Auf verschiedenste Weisen zusammenfassen. Auf Eigenschaften schließen. Und wenn es selbst in den Fokus des Ordnens kommt, bricht es erst einmal zusammen.

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Wittgenstein im Festsaal und am Monte Cassino

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Das Deckenfresko des berühmten Festsaals der Österreichischen Akademie der Wissenschaften von Gregorio Guglielmi wurde nach einem Brand im Jahr 1961 vom Theatermaler Paul Reckendorfer rekonstruiert. (Wikipedia)

Der Saal war Ende Februar Schauplatz eine Veranstaltung “Wittgenstein. Sprache und Musik”. 80 Minuten lang las “die Doyenne des Wiener Burgtheaters” aus Hermine Wittgensteins Familiengeschichte und den Briefen ihres Bruders. Es folgte Pause mit Buffet und danach die Aufführung einiger Lieblingsstücke Ludwigs, begleitet von einschlägigen Aphorismen.

Die Inszenierung folgte einer Idee Michael Nedos und zeigte, wie seine “Wiener Ausgabe” des Nachlasses, kulinarische Züge. Eine Feierstunde für die gehobene städtische Intelligenz. Während Nedo mit guten Gründen den traditionellen Luxus einer Buchedition als Hilfestellung zum Verständnis des philosophischen Werkes darstellen kann, erwies sich die Schriftlesung mit Musik allerdings als typische “würdevolle Gedenkveranstaltung”, die “den Geist des Meisters” heraufbeschwört.

Im Gegenzug empfiehlt sich diese Erinnerung Ludwig Hänsels an seine Kriegsgefangenschaft, zusammen mit dem jungen Leutnant:

Lt Wittgenstein fährt fort, mir die Fregesche Begriffsschrift in der neuen Gestalt vorzuführen. Ich habe Mühe, den Zeichen zu folgen. Mein erster Widerstand gegen die „Oder“ Auffassung war begründet. Ich faßte es rein disjunktiv. Er ist superlativisch, edel, begeistert (Tolstoj’s Volkserzählungen, Prosa Kellers oder der Grimm-Märchen. Das Evangelium ist sakrosankt, nicht berührbar, über allem Gerede – gegen unsere Übersetzungsversuche am Galaterbrief.) Er ist sehr nervös, stößt die Luft durch die Nase. Blaue Augen. Furchige (alte?) Züge. Bewegliches, sehr aufrichtiges Mienenspiel. Edle Kindlichkeit.

Festschreiben und Verhandeln: Projektmanagement revisited

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Vor sechs Jahren wurde hier ein Beitrag über Agiles Projektmanagement veröffentlicht. Er entstand während dem Besuch einer einschlägigen Vorlesung im Informatikstudium. Heute stellt sich das Thema neu dar. Weniger Schlagwort-orientiert. Man hat Zeit investiert, praktische Erfahrung gesammelt.

Mancherorts in den IT-Abteilungen belächelt man den “Agile”-Hype. Er wurde fast zum Schimpfwort. Bei “von oben” verordneten Prozessveränderungen ist das zu erwarten und nicht unmittelbar ein Argument gegen alternative Vorgehensweisen zur Erstellung von Artefakten wie Software.

Der Verdacht: Personen, die wenig bis keine Erfahrung im Projektmanagement hätten, fallen auf die Slogans von Coaches und Beraterinnen herein:

  • Starre Regelwerke  —  laufendes Eingehen auf Änderungswünsche
  • Fixe Rollenverteilung — Individuelle Entfaltung bei verschiedensten Aufgaben
  • Reduktionismus — Holismus

Die Gegenüberstellung dieser Phrasen helfen zumeist wenig zur Beurteilung und Verbesserung des Projektalltags. Die Zuflucht zu agilem Vorgehen ist Teil eines Dilemmas, das bei einem an mehreren Orten stattfindenden Softwareprojekt sehr deutlich wird, in dem man exakt spezifizieren muss. Die Spezifikation wird in einem Medium verständlich gemacht, das Weiteres oder Anderes offen lässt.

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petites mesquineries

drachen

 

Alain Badiou operiert, das ist im vorigen Beitrag angesprochen worden, mit der Kategorie Rechtschaffenheit. Ein Beispiel ist Jeannne d’Arc, “une héroïne sublimement chrétienne”, die er gegen Voltaires frivole Satire in Schutz nimmt. Das geschieht in einem Beitrag in “Le Monde”, in dem er die folgende Parallele zieht: “Voyez les obscénités de Voltaire à propos de Jeanne d’Arc : son La Pucelle d’Orléans est tout à fait digne de Charlie Hebdo.”

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Bildung: Dekomposition und Symphoniekonzert

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Andreas Kirchner hat sich auf meine Bemerkungen zur kritischen Analyse als Aufgabe der Philosophie bezogen und ihnen als Alternative die Entwicklung von Spielräumen gegenübergestellt:

Eine Aufgabe der Philosophie ist Begriffsklärung. Eine andere ist Erfindung – das Erkunden von Wegen und das Aufzeigen von Optionen.” [1]

Ich möchte das Verhältnis der beiden Aufgaben anhand von Überlegungen nachzeichnen, die mich im vergangenen Semester beschäftigten, ausgehend nochmals vom Begriff Bildung.

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Kein leeres Blatt

Vor 2 Wochen wurde ich auf Facebook nominiert. Eine Art virale Kampagne. Die Anleitung lautete in etwa:

  • Nimm ein leeres Blatt Papier.
  • Schreibe eines deiner Talente auf das Papier.
  • Poste in Facebook/Twitter ein Selfie, auf dem du mit dem Blatt zu sehen bist.
  • Nominiere drei Freunde.

Hier bitte, mit einer kleinen Verschiebung:

Verspielte_Ernsthaftigkeit
Kein leeres Blatt
ein gerastertes, palimpsestartiges Gebilde
eine Schicht verblasst
Neues schreibt sich in das Bestehende ein
manchmal von unserem Willen gestaltet

Im Rücken die Bücher
so zeige ich euch Text auf einem Tablet
man photographiert nicht gegen das Licht
darum bleibt der Bildschirm schwarz
Eine App modifiziert einige Pixel
und hinterlässt eine Signatur im Bild
ohne mich zu fragen

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Beyond judgement? Protestkunst Unibrennt

“Bei der Erzählung einer wohlbekannten und somit klassifizierbaren Geschichte kann ein “beiläufiges” Detail die ganze Tragweite der Geschichte verändern.” (Michel de Certeau, Kunst des Handelns, S. 174)

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Dieser Blog-Eintrag handelt von der Arbeit mit Bestehendem. Konkret von einem Artikel eines Kunstmagazins über Kunst im Zeitalter der Digitalisierung, der Unibrennt-Bewegung (Welche beim Festival für digitale Kunst Ars Electronica einen Preis bekam), und dem reichhaltigen Buch “Kunst des Handelns” von Michel de Certeau (eine Mischung aus pointierten Aussagesätzen und komprimiert-verschachtelten spekulativen Überlegungen), in dem es um die inkorporierte Intelligenz der Alltagspraxis geht.

Der Artikel ist auch ein Plädoyer fürs Ausprobieren – und fürs Ins-Spiel-Bringen von Heterogenem.

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Beratungsmuster

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Vor langer Zeit, als es an österreichischen Universitäten Personal- und Berufungskommissionen gab, die aus Professorinnen, Mittelbau und Studentinnen kollegial zusammengesetzt waren, beobachtete man eine bedenkliche Entwicklung. Es kam oft auf den Durchschnitt an, den Kandidatinnen aus den ziemlich divergenten Interessen zu ziehen vermochten. Die Tendenz ging in Richtung “nirgends anstreifen” und wer die Umstände gut kannte, hatte die besten Chancen. Wo sind die Zeiten hin?

Ein “Doktoratsbeirat” wacht mittlerweile darüber, dass nur solche Studierende im Doktoratsstudium betreut werden, die in einer “fakultätsöffentlichen Präsentation” bestehen. (Ich war Vorsitzender der Curricularkommission der Universität, als das beschlossen wurde.) Dabei ergibt sich ein anderes Bild.

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Die alten e-Mail Listen

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Ein Beitrag auf einer Mailing Liste

 

Liebe alle,

vorerst moechte ich mich oeffentlich darueber freuen, dass die “Epoche” wiederum eine Traegerfunktion fuer eine ganz wichtige universitaetspolitische Diskussion uebernehmen konnte. Wenn zumindest der kritische Teil der Kollegenschaft … mit Hilfe eines engagierten Kommunikationskanals unzensuriert ueber die Empoerungen der Basis informiert wird, bleibt dies ein ganz wertvoller Bestandteil unserer inneruniversitaeren Kommunikation.

2003, mit dem Inkrafttreten des Universitätsgesetzen 2002, schien es mir nötig, ein öffentliches Forum zur Diskussion und Kritik seiner Auswirkungen zu schaffen. Die Web-Anzeige des Personalstands an der Uni Wien hatte einen Bug, durch den man mit einem geeigneten Suchbegriff in einem Durchgang sämtliche Mail-Adressen der Beschäftigten abfragen konnte. Ich machte daraus eine Massenaussendung an ca. 3500 Personen – mit etwas Bauchweh. Aber die Initiative erfüllte ihren Zweck und sie besteht noch immer.

Heute würde man eine Fascebook-Gruppe gründen und “Freundinnen” sammeln. Hier eine kleine Aufstellung der auffälligsten Unterschiede:
 
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Begriffsanalyse, Unschärfe und wieder zurück

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Eine Aufgabe der Philosophie ist Begriffsklärung. Zum Beispiel spricht man vom “E-Learning”. Es handelt sich, soviel lässt sich sicher sagen, um Lernen im Umfeld digitaler Netzwerke. Sonst noch etwas? Dazu muss der Einfluss untersucht werden, welchen das Präfix “E-” auf die Bedeutung von “Lernen” ausübt. Das Thema wurde in meiner Vorlesung “Bildung und Datenbanken” vom einfacheren Beispiel “E-Mail” her diskutiert.

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